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sven1421

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8

Donnerstag, 19. Januar 2012, 19:26

Episode 8: Kommt Zeit, kommt Rad

Der altmodische Wecker auf dem kleinen Nachtschränkchen rasselte, und Svenssons Oberkörper schnellte von seiner Lagerstatt pfeilschnell in die Höhe. 'Mist, dieser Krach kann ja Tote aufwecken!', dachte er, während gleichzeitig ein deutlich vernehmbares Ausatemgeräusch den letzten seiner durch das ständige Schnarchen hervorgerufenen Atemaussetzer dieser Nacht abrupt beendete. Gegenüber an der Zimmerwand bot ihm der angebrachte Spiegel das Gesicht eines verschlafenen und unrasierten Mannes dar, das der Inspektor schon irgendwo einmal gesehen zu haben glaubte. Er konnte in diesem Moment halt nur nicht genau sagen wo. Entweder war es auf dem Foto seines Personalausweises oder aber in der Verbrecherkartei beim Yard gewesen. Svensson kraulte sich nachdenklich das Kinn, wobei seine Finger darüber hinwegkratzten wie über rauhes Sandpapier. Nein, so ein Dreitagebart paßte vielleicht zu diesem Milchbubi Crawler, aber nicht zu ihm. Mit dieser Erkenntnis erhob er sich noch immer ein wenig benommen vom Schlafsofa seines Einzimmerappartments und tippelte sichtlich schlaftrunken über den schmalen Flur seinem noch weitaus weniger geräumigen Badezimmer entgegen, wo ihm - nach einem gezielten, sanften Schlag auf den zugehörigen Lichtschalter - vom Spiegel über dem Waschbecken her dieselbe, noch gänzlich ungepflegte Visage entgegenblinzelte wie schon eben im Wohnzimmer. Seine Hände suchten, fanden und öffneten im nahezu völligen Blindflug die beiden Wasserhähne des Waschbeckens, wodurch sich nur Sekundenbruchteile später unter leisem Plätschern frisch sprudelndes Wasser ins aufnahmebereite Becken ergoß.

Mit einem Male riß Svensson die verschlafen dreinschauenden Augenschlitze weit auf, so daß die immer noch verengten Pupillen nun deutlich hervortraten. Verdammt! Was war denn das da auf seinem Unterhemd? Nicht schon wieder! ... Er mußte endlich einmal damit aufhören, des Nachts zu versuchen, diese breitgedrückten Cheeseburger - die er auf dem mitternächtlichen Heimweg immer aus einem dieser Mc Mickeys Fastfoodtempel zu sich nach Hause mitzunehmen pflegte - dadurch kulinarisch aufwerten zu wollen, daß er einfach Unmengen zusätzlichen Ketchups aus seinem Kühlschrank zwischen die labbrigen Sesambrötchenhälften preßte. Jedes Mal kam es dann nämlich im Halbdunkel seiner Wohnung vor, daß sich ein gewisser Teil seiner "Spezialzutat" quasi verselbständigte und mitten auf seinen Klamotten landete. Svensson streifte das vollgekleckerte Unterhemd mit einem leisen Fluch auf den Lippen kurzerhand über den Kopf und ließ es dann unsanft in den unterm Waschbecken befindlichen Wäschekorb fallen. Hoffentlich bekam sein Waschmittel diese intensivroten Flecken wirklich wieder raus, so wie man es ihm in der zugehörigen Fernsehwerbung bereits hundertfach versprochen hatte.

Svensson drehte dem Wasser im inzwischen bis zum Rand gefüllten Waschbecken den Hahn wieder ab. Dann tauchte er unter und versenkte sein Gesicht einmal kurz im kühlen Naß, um gleich danach eine ausgiebige lauwarme Dusche zu nehmen. Anschließend ließ er die Zahnbürste in kreisenden Bewegungen über sein Gebiß gleiten und rückte auch noch seinem Stoppelbart mittels Rasierschaum und Naßrasierer zu Leibe. Und auch der Kamm streifte noch rasch ein-zwei-mal die letzten verbliebenen Haare auf seinem Kopf, bevor Lukas es schlußendlich wagte, seinem Spiegelbild erneut gegenüberzutreten. Wie jeden Morgen nach einer derartigen Grundüberholung seines Antlitzes war der Inspektor auch diesmal wieder geradezu verblüfft, wie einem so ein paar einfache "Reinigungsarbeiten" das Gefühl geben konnten, auf Anhieb zehn Jahre jünger auszusehen. Und nach einem weiteren sanften Schlag auf den Lichtschalter kehrte Svensson in sein kombiniertes Wohn-Schlaf-Zimmer zurück, wo er sich zielsicher ein neues Unterhemd, eine dunkelblaue Boxershort, ein frisches weißes Oberhemd und eine beigefarbene Anzughose aus dem Schrank angelte, in welche er anschließend seinen Luxuskörper in knapp zweiminütiger Bestzeit versenkte. Im Flur warteten bereits seine schwarzen Lederhalbschuhe und sein geliebter Trenchcoat auf ihn, aus dessen rechter Tasche er beim Verlassen der Wohnung noch rasch den Wohnungstürschlüssel hervorkramte.

Der Schlüssel drehte sich zweimal im Schloß, dann schritt der Insektor gemächlich die Treppen der vier Stockwerke bis zum Innenhof hinunter, wo er mittels eines kleinen Schlüssels in seiner linken Manteltasche die Handschellen löste, mit denen er bei seiner nächtlichen Heimkehr stets den Rahmen seines Fahrrades an einem ausrangierten Müllcontainer anzuketten pflegte. Mit einem kühnen Schwung des linken Beines begab er sich auf den Sattel des dienstbaren Gefährts und lenkte sein Rad in Richtung Hofausfahrt. Mit vorschriftsmäßigem Handzeichen und prüfendem Doppelblick nach rechts und links bog er auf die - selbst um diese Uhrzeit bereits recht stark befahrenen - Straßen der Londoner Innenstadt ein, als ein leises Zischen unter ihm ein paar Sorgenfältchen in sein sonst so entspanntes Gesicht trieb. Svensson sprang von seinem Drahtesel ab und schaute ahnungsvoll nach seinem Hinterreifen, dem langsam aber sicher die Luft auszugehen schien. Sein Blick schweifte weiter zurück und erspähte schließlich das Scherbenmeer einer achtlos weggeworfenen Bierflasche, das seinem Schlauch kurz zuvor offensichtlich den unter die Gummihaut gehenden, todbringenden Stich versetzt hatte. Der Inspektor atmete erst einmal ganz tief durch, dann lehnte er sein Rad kurzerhand gegen die Häuserwand und zog zwei gefütterte Winterhandschuhe aus seinen beiden Manteltaschen hervor, die er sich überstreifte und mittels denen er sorgsam Scherbe für Scherbe vom Boden auflas, um seine Sammlung dann flinken Fußes dem Glascontainer im Innenhof zuzuführen. Schließlich sollte doch nicht noch ein morgendlicher Radler Opfer jenes Scherbenhaufens werden, oder?! Svensson klopfte seine Handschuhe noch einmal kurz aneinander aus, bevor er sie wieder in seinen Manteltaschen verschwinden ließ. Er ging zurück zu seinem Rad und schob es ein Stück weit die Straße entlang, bis er ein kleines hellerleuchtetes Gebäude erreichte, dessen grellgelbe Neonschrift über der Tür strahlend und dabei ein wenig vor sich her summend verkündete: "JACKS 24 HOURS A DAY".

Der Besitzer des zugehörigen Ladens, der sich als eine Art Rund-um-die-Uhr-Autowerkstatt verstand, kam stirnrunzelnd auf Svensson zugelaufen und zwinkerte dem Inspektor schließlich zu, während er ihn gleichzeitig wie einen alten Freund mit festem Handschlag begrüßte: "Guten Morgen, mein Lieber! Wenn ich Sie so auf mich zuschleichen sehe, dann brauch ich weder Hellseher noch Kriminalist zu sein, um zu wissen, was die Stunde geschlagen hat. Einem Ihrer Rädchen ist mal wieder die Puste ausgegangen, oder?!" Svensson nickte schmunzelnd: "Ich glaube, Jack Holmes, Sie sollten anstelle von diesem Lackaffen Wannabe mit mir beim Yard arbeiten. Ihre Kombinationsgabe und Ihr Gespür übertreffen die seinen um Längen ... Ja, es hat mich mal wieder erwischt". Holmes winkte nur milde ab: "Keine Sorge, Chef, das haben wir in Nullkommanix". Und damit winkte er seinen Lehrling zu sich, der bis zu diesem Zeitpunkt wenige Meter entfernt knieend an der Ölwanne eines Ford Mustangs herumgeschraubt hatte. "Luigi", begann Jack Holmes seine Ansprache an den Jungen, "Du läßt mal für ein paar Minütchen das 'Ami-Pferdchen' links liegen und kümmerst Dich stattdessen um den kranken Hinterhuf dieses 'Eselchens', capito?!". Luigi nickte verstehend, auch er wurde schließlich nicht das erste Mal mit dem morgendlichen Hilfegesuch des sympathischen Inspektors konfrontiert. Der Lehrling schnappte sich das ungewöhnliche Polizeifahrzeug und schob es in den hinteren Teil der Werkstatt, während sein Chef den befreundeten Polizeibeamten inzwischen in seine Teeküche einlud. Die beiden Männer nahmen an einem kleinen wachstuchbedeckten Tisch Platz und nutzten die Zeit, die die Reparatur des Fahrrads beanspruchte, für eine gemeinsame Tasse heißen Kaffee und ein Gespräch unter guten alten Bekannten.

"Wie gehts Ihrer Tochter, mein Freund?", eröffnete Holmes die Unterhaltung und schaute dabei seinem Gegenüber tief in die Augen.
"Ach, wissen Sie, Jack, seit meine Frau Nina und ich uns vor zwölf Jahren entgültig getrennt haben, seh ich meine kleine Lisa nur noch selten. Sie ist mit ihren 16 Jahren ein ganz wundervolles junges Mädchen, eine erstklassige Schülerin und eine famose Geigenspielerin noch dazu. Alle ein bis zwei Monate kommt sie mich in meiner kleinen Wohnung besuchen. Dann reden und lachen wir zusammen, und für ein paar Stunden kehrt sozusagen ein wenig buntes Familienleben in meine grauen vier Wände ein". Beim letzten Satz strahlte Svensson bis über beide Ohren.
"Sagen Sie mal, mein Guter, haben Sie früher eigentlich nie überlegt, selbst um das Sorgerecht für Ihre Lisa zu kämpfen?", hakte Holmes ein wenig nach.
"Ja, mit dem Gedanken gespielt hab ich sicher mal, wie jeder alleinstehende Vater es wohl tut. Aber ich hab ihn ebenso rasch wieder verworfen, wie er aufkam. Ein Kind braucht schließlich seine Mutter. Wer weiß das besser als ich, der ich selbst jahrelang in einem Heim aufgewachsen bin, ohne Eltern und Großeltern. Ohne Wurzeln und familiäre Bezugspersonen sozusagen". Das Strahlen war aus den Augen des Inspektors verschwunden. Alles, was sie in diesem Moment ausstrahlten, war Bedrücktheit und eine schier endlose Traurigkeit.
Jack Holmes hatte das natürlich sofort wahrgenommen und versuchte daher rasch, das Gesprächsthema zu wechseln: "Mal ganz was Anderes. Was macht eigentlich die Arbeit? Gibt es was Spannendes?"
"Ja, da gibt es tatsächlich einen Fall, der mich ziemlich beschäftigt. Ein leitender Angestellter einer Privatbank wurde in einem Zugabteil brutal ermordet", berichtete der Inspektor kurz und sachlich.
Und Holmes ergänzte: "Ach ja, der aus den Abendnachrichten. Aber meinte Ihr Kollege nicht, die Sache sei ziemlich klar und ginge wohl auf die Kappe dieser beiden Mafiosifamilien mit den merkwürdigen Nudelsortennamen?"
Svensson schüttelte energisch sein Haupt: "Ja, aber ich glaub, da steckt was ganz anderes dahinter. Dieser Steven Napolitani war eigentlich ein viel zu kleines Licht für diese Spirellis und Makkaronis. Die geben sich viel lieber mit den richtigen Chefs solcher Bankhäuser ab. Und dann hab ich da gestern am späten Abend noch die Witwe dieses Mannes aufgesucht. Eigentlich ja nur, um ihr die traurige Nachricht vom Tod ihres Gatten zu überbringen. Wissen Sie, Jack, ich hasse das, und dennoch hab ich mich freiwillig dazu gemeldet. Denn allein der Gedanke, daß dieser seelische Eisberg Wannabe von unserem Boss Freakadelly, seinem Schwiegerpapa in spe, auf die arme Frau losgelassen werden könnte, bereitete mir schon innerlich ein mulmiges Gefühl. Wie dem auch sei, so traf ich jedenfalls gestern spätabends in einer prunkvoll eingerichteten Vorstadtvilla auf eine zutiefst erschütterte Frau ..."
"Aber es ist doch absolut normal, daß man zutiefst erschüttert ist, wenn man als liebende Ehefrau mit einer solch schrecklichen Nachricht konfrontiert wird, oder?!", wandte Holmes um Verständnis ringend ein.
Der Inspektor nickte nachhaltig: "Ja, natürlich ist es das. Aber dennoch! Die Art der Erschütterung war, meinem Bauchgefühl nach, eher die einer Tatverdächtigen als die der Ehefrau eines Opfers. Und das war bei weitem noch nicht alles, was mich irgendwie stutzig werden ließ. Ich machte nämlich nur eine Minute später die Bekanntschaft einer jungen Dame, die ich in ihrer Beziehung zu den Napolitanis auch nach der sich anschließenden einstündigen Unterhaltung mit beiden Frauen nicht wirklich einzuordnen vermag. Also, diese junge Frau namens Jane ist Kunststudentin an einer Kunsthochschule in Manchester. Sie zog an just dem Tage im Hause der Napolitanis ein, in dessen Verlauf Steven Napolitani ermordet wurde. Und das, obwohl Cathrin Napolitani, besagte Ehefrau des Ermordeten, sie gerade erst zufällig kennengelernt hatte. Die junge Studentin sei ihr während eines Einkaufsbummels eben auf den ersten Blick sympathisch gewesen, man sei ins Gespräch gekommen, und da Jane sehr ärmlich in einer kleinen Kammer unter dem Dach wohne, habe sich Cathrin direkt entschlossen, ihr den Gästebereich ihrer riesigen Villa zur Untermiete anzubieten. Und dabei hatten sich beiden Frauen bis zu meinem Besuch noch nicht einmal auf einen festen Mietpreis geeinigt".
Der Werkstattbesitzer bemühte sich sichtlich um eine plausible Erklärung: "Ja, wissen Sie, manchmal haben doch solche wohlhabenden Damen einen Anflug von Mildtätigkeit. Dann spenden sie mal eben eine Million für gefährdete Tierarten oder sponsorn von ihrem Geld einen jungen Schauspieler, der ihnen imponiert. Vielleicht geht das Ganze ja in die Richtung?!".
Svensson allerdings ließ sich seine mühsam angehäuften Zweifel so leicht nicht nehmen: "Klar, daran hab ich auch gedacht. Aber da war immer noch mehr ... Dieses zarte, junge Geschöpf, das den Toten angeblich ja gar nicht gekannt hatte, wirkte auf eigenartige Weise noch viel erschütterter als die Ehefrau. Und zuletzt war da dann noch die ganze Art, wie die beiden Frauen in dieser extrem emotionalen Situation miteinander umgingen. So zärtlich und sanft. Und immer wieder dieses verstohlene Händchenhalten der Beiden, vor allem, wenn sie sich von mir unbeobachtet wähnten. So, als würde die Zwei ein kleines, schmutziges Geheimnis verbinden. Ich kann Ihnen das leider nicht genauer erklären. Sie müßten es eben mit eigenen Augen gesehen haben ..."

In diesem Augenblick erschien Jacks Lehrling Luigi im Türrahmen und verkündete freudig: "Das drahtige Eselchen ist wieder wie neu. Der Herr Inspektor kann getrost auf dem Dienstwege fortfahren". Svensson stand zügig auf. Dann zog er seine alte silberne Taschenuhr aus der Manteltasche hervor, ließ den Deckel aufspringen und konstatierte ein wenig kopfschüttelnd: "Na, nun aber los! Es ist ja schon halb 6 durch, und spätestens um 6 Uhr will ich an meinem Schreibtisch im Yard sitzen. So hab ich wenigstens einen kleinen Vorsprung vor diesem Wannabe und seiner allein seligmachenden Mafia-Theorie". Eilig verabschiedete er sich per Händedruck von Lehrling und Meister, wobei er sich gleichzeitig dutzende Male bedankte und dann noch heimlich eine Zehn-Pfund-Note im Schlitz der auf der Teeküchenanrichte bereitstehenden Spardose versenkte, bevor er sich wieder voller Elan auf sein Rad schwang und im gemütlichen Tempo eines typischen Sonntagsfahrers in Richtung Scotland Yard entschwand ...

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sven1421

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9

Donnerstag, 19. Januar 2012, 19:27

Episode 9: Erwachende Gefühle

Um Jane herum war alles dunkel und leer. Nur durch die Glasscheibe eines einsamen Fensters fiel ein blasser Fetzen Licht auf ihr Gesicht. Es war, als versuchte ihr dieser schwache Schein den Weg aus dem Dunkel zu weisen. Sie trat einen Schritt zu auf das Fenster und bemerkte, daß es von außen dick mit Eisblumen besetzt war. Plötzlich drang ein leises schabendes Geräusch in der sonst so gespenstischen Stille des Raumes an ihr Ohr. Das Geräusch rührte von der Außenseite jener Glasscheibe her. Ein zierliches Zeigefingerchen kratzte mit kreisenden Bewegungen ein immer größer werdendes Loch in die Geschlossenheit der eisigen Blütenpracht und brachte so nach und nach ein vertrautes Gesicht zum Vorschein: Es war Cathrin, die da draußen in der Kälte stand und ihr zuwinkte. Jane sah genau, wie sich dabei Cathrins Lippen bewegten, aber sie konnte leider kein Wort von dem Gesagten verstehen. Sie drehte sich um, und ihre Augen - die sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt zu haben schienen - erkannten nun endlich auch, wo sie sich befand. Es war eben jener Eisenbahnwagen, in dem sie von einer unschuldigen Kunststudentin mit einem Schlag zur Mörderin geworden war. Panik erfaßte sie. Sie wollte nur noch eins: So schnell wie möglich weg hier! Jane rannte aus dem Abteil in Richtung Ausgangstür. Doch mit jedem Schritt, den sie lief, schien ihr der Gang nur immer noch länger zu werden. Und plötzlich trat aus einem der seitlich gelegenen Abteile eine dunkle Gestalt heraus und verbaute ihr den Fluchtweg. Jane stoppte abrupt und stand der Erscheinung nun direkt gegenüber. Ihr Körper zitterte, in ihren Augen spiegelte sich das blanke Entsetzen. Um Himmel willen: Es war Steven - ihr Stevie, Cathrins Mann. Aus seiner zerstochenen Brust tropfte pausenlos das Blut auf den Gang. Und seine kalten Augen starrten scheinbar durch sie hindurch, während sein eisiger Mund ihr Ohr berührte und ihr mit leiser zittriger Stimme zuflüsterte: "Du wirst mich niemals los! Ganz tief in Dir ist etwas von mir, das bleiben und Dich ständig an mich erinnern wird! Mit jedem Tag wächst es und sorgt dafür, daß ich auf ewig ein Teil Deines Lebens sein werde - jede Stunde, jede Minute und jede einzelne Sekunde vom Rest Deiner Erdentage. Auf immer - Du und ich, Stevie und Jane ...". Und wie ein unheilvolles Echo hallte es dumpf in ihren Ohren nach: "Jane, Jane, Jane ...".

"Jane, Jane ... Wach doch auf, Jane, Kleines! Beruhige Dich, das war doch alles bloß ein böser Albtraum!". Jane schlug die Augen auf und blickte sich ängstlich um. Ihr goldgelber Bärchenpyjama war schweißdurchtränkt, und auch auf ihrer Stirn spürte sie die perlenden Schweißtropfen. Wie ein Häufchen Elend lag sie zusammengekauert mit angezogenen Beinen ganz am Rande des großen Futondoppelbettes im riesigen Napolitanischen Schlafzimmer, welches bereits die ersten hellen Sonnenstrahlen warm zu durchfluten begannen. Neben ihr saß Cathrin und tupfte ihr sachte mit einem Zellstofftuch die feuerroten Wangen und die feuchte Stirn. Die andere Hand strich dabei gelichzeitig beruhigend über Janes Oberarm auf und ab. Jane lehnte ihren Kopf vorsichtig an Cathrins Schulter. Sie genoß die Wärme und die Geborgenheit, die die reife Frau mit jeder ihrer einfühlsamen Berührung und jedem ihrer ruhigen Worte ausstrahlte. Wie wunderbar mußte es sein, von solch einer Frau geliebt zu werden? Was für ein Gefühl war es wohl, solch einem bezaubernden Wesen im Rausch der Lust begegnen zu dürfen? Wie um alles in der Welt konnte man so ein liebevolles Geschöpf nur hintergehen und betrügen? Was um Himmels willen hatte sich ihr Mann nur dabei gedacht?

Jane sah Cathrin ganz tief in ihre leuchtenden bernsteinfarbenen Augen. Ja, diese Augen waren wahrlich wie Edelsteine. Und hinter ihnen versteckte sich zweifellos ein Herz aus purem Gold. Cathrin war einfach rundum ein wahres Schmuckstück - atemberaubend schön und unbezahlbar. Und die Risse, die das Leben ihr bereits versetzt hatte, machten sie nur noch einzigartiger, wertvoller und vollkommener. Cathrins Daumen berührte wie zufällig Janes Lippen, die sich unter seinem Druck leicht öffneten. Cathrin zog ihre Hand reflexartig wieder zurück, was Jane nur mit einem leichten Augenzwinkern beantwortete, bevor sie der zärtlichen Freundin zuflüsterte: "Ich würde Dich jetzt unheimlich gern küssen, liebste Kate!". Nun wich auch Cathrins Körper spürbar ein wenig zurück, während sie sichtlich um Fassung und die richtigen Worte rang. Sekundenlanges Schweigen folgte, schließlich erwiderte Cathrin: "Weißt Du, Jane, ich glaube, das möchte ich irgendwie auch. Ich weiß nicht wieso, aber ganz tief in mir drin wollte ich das schon, als ich Dich zum ersten Mal gesehen habe - gestern in dem Zug. Und dennoch fürchte ich mich vor diesem letzten entscheidenden Schritt. Himmel, wie soll ich das nur erklären?!". Cathrins Augen glitzerten wäßrig, während ihre Pupillen sich von Janes Blick befreiten und in Richtung der Decke flüchteten - als ob sie sich bei dem, was sie sagen wollte, heimlich Hilfe von oben erhoffte. Stattdessen kam jene Hilfe nun unerwarteterweise aus ganz anderer Richtung. Janes Zeigefinger legte sich nämlich zeitgleich über Cathrins Lippen, während die Studentin ihrer Gastgeberin zuhauchte: "Ist schon gut, sag nichts mehr. Niemand will Dich zu irgendetwas drängen, ich am allerwenigsten. Nimm mich einfach noch einmal ganz fest in Deine Arme und dann laß uns frühstücken gehen! Ich hab nämlich einen Bärenhunger". Mit diesen Worten preßte sie sich ganz fest an Cathrins Körper, der sich unter derem figurbetonenden himmelblauen Seidennachthemd formenreich abzeichnete, und schloß sie dabei liebevoll in beide Arme. Und die so Engumschlungene reagierte darauf mit einer ebenso intensiven Umarmung Janes, in der beide Frauen dann etwa eine Minute lang verharrten, bevor Jane unvermittelt aus dem Bett und unter die Dusche sprang, während Cathrin in der Küche für ihren Gast und sich schon das ungewöhnlich üppige Frühstück zubereitete.

Jane schien das morgendliche Duschen sehr zu genießen, denn erst nach knapp einer Dreiviertelstunde kam sie aus dem Bad in die Küche gelaufen und setzte sich sofort ohne zu zögern an die Stirnseite des reich gedeckten Frühstückstisches. Cathrin, die sich gerade mit der Kaffeekanne in der Hand zu ihr umgedreht hatte, blieb mit einem Male wie angewurzelt stehen und wurde kreidebleich. Jane bemerkte das sofort, sprang auf die Freundin zu und fragte besorgt: "Was ist denn plötzlich los mit Dir, Kate? Geht es Dir nicht gut?". Cathrin löste sich aus ihrer Erstarrung und schüttelte wie in Zeitlupe ihren Kopf: "Nein, nein ... alles ... alles in Ordnung! Es war nur ... es ist nur ... das ist ... ich meine, das ... das war immer ... sein ... naja der Platz von meinem ... von Steven, weißt Du?!". Eine verstohlene Träne kullerte über ihre Wange. Eine Träne, die nur Sekundenbruchteile später eine entfernte Verwandte bekam - auf der Wange Janes, deren Kopf sich im selben Moment schlagartig gesenkt hatte, und die nun leise vor sich her schluchzte: "Aber das ... das hab ich ja nicht gewußt und ... und schon gar ... gar nicht ... gewollt! Es tut mir so leid ... so schrecklich ... leid!". Wieder versanken beide Frauen in eine wohltuende, sich gegenseitig Halt gebende, innige Umarmung, in der sie erneut minutenlang verharrten. Dabei versuchten sie mit ihren behutsamen Händen gegenseitig, sich die Tränen vom Gesicht zu wischen. Endlich atmete Cathrin einmal tief durch und sprach: "Ok, genug geheult! Dein ganzes schönes Makeup verläuft ja schon wieder. Jetzt wird gegessen, sonst wird noch alles kalt. Und kalter Kaffee soll zwar schön machen, aber schmecken tut er jedenfalls grauenvoll!". Und damit hatte sie es geschafft, jenes bezaubernde Lächeln in Janes Gesicht zurückzuzaubern, das sie schon bei ihrem Kennenlernen so fasziniert hatte.

Jane schnaubte sich noch einmal lautstark mit einem Tempotaschentuch ihr Näschen, dann setzte sie sich an einen der Seitenplätze des Tisches und blickte staunend auf all die Leckereien, die Cathrin darauf zusammengetragen hatte. Auf einem Teller ruhte ihr Blick besonders intensiv, wobei sie wie ein kleines Kind wild in die Hände klatschend feststellte: "Au fein, Bratkartoffeln! Und Schokopudding hast Du auch! Das ist ja wie Weihnachten und Ostern zusammen. Weißt Du, Kate, bei meiner Granny, wo ich aufgewachsen bin, gab es samstags immer Bratkartoffeln mit Schokoladenpudding". Sie sah zu Cathrin herüber und registrierte dabei den leicht angewiderten Ausdruck in deren Gesicht, wodurch sie sich zu einer weiteren Erläuterung genötigt sah: "Ja, das hört sich vielleicht ein wenig abartig an, aber glaub mir, das ist übelst lecker!". Und damit beförderte sie auch schon eine riesige Portion Bratkartoffeln auf ihren Teller, nur um sie eine Sekunde später mit einer ebenso großen Ladung Pudding zuzuschütten. Jane verrührte das Ganze eifrig, um es anschließend genüßlich zu verdrücken. Cathrin mußte unweigerlich lächeln. Na, hoffentlich wurde ihr davon am Ende nicht wieder übel wie gestern Abend ...

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Donnerstag, 19. Januar 2012, 19:30

Episode 10: Im Zuge eines Jubiläums

Das Hartgummiprofil eines gemächlich vor sich her rollenden Reifens durchquerte auf dem - in der Morgensonne glänzenden - Kopfsteinpflaster eine mittelgroße Pfütz. Dabei teilte sich das zugehörige Wasser gleichmäßig nach beiden Seiten. Jeden bibelfesten Beobachter vermochte der Anblick dieser Szene wohl sofort an jene alttestamentliche Geschichte erinnern, in der Mose beim Auszug seines Volkes aus der ägyptischen Gefangenschaft mit Gottes Hilfe das Rote Meer teilte, so daß seine Landsmänner allesamt trockenen Fußes ans andere Ufer gelangen konnten, während die sie verfolgenden Ägypter anschließend in den wieder zusammenströmenden Wasserfluten qualvoll ertranken. Svensson, dessen Fahrradreifen es war, der dieses Wunder soeben erfolgreich wiederholt hatte, schaute noch einmal hinter sich und erblickte dabei einen kleinen Mistkäfer. Dieser hatte wohl im Schutze des Fahrradreifens ebenfalls auf eine erfolgreiche Durchquerung der Pfütze gehofft, und nun drohte ihn das Schicksal der alttestamentlichen Ägypter zu ereilen. Dabei stellte sich der Inspektor gedanklich vor, der Mistkäfer sei sein Kollege Wannabe, und mußte unweigerlich schmunzeln. Wenn er allerdings ein wenig länger darüber nachdachte, tat ihm dieser unangemessene Vergleich schon wieder ein wenig leid - schließlich wollte Svensson ja niemanden ernsthaft beleidigen ... vor allem nicht den armen, unschuldigen Mistkäfer.

Einen Moment später zeugte Svenssons deutliches Handzeichen von der Absicht, mitsamt seinem Rad eine Richtungsänderung zu vollziehen. Und bereits eine Sekunde danach ging es von der Victoria Street scharf nach rechts ab, wo in einer Seitenstraße ein paar Meter weiter eine Inschrift auf dem goldenen Schild einer Einfahrt verkündete: "New Scotland Yard". Es folgte ein Schlagbaum, vor dem der Inspektor per Rücktritt sogleich eine Vollbremsung der Meisterklasse hinlegte. Svensson nahm die Füße von den Pedalen und stützte gleichzeitig seine Ellenbogen geduldig wartend auf der Lenkstange ab. Dabei begann er, andächtig die britische Nationalhymmne vor sich her zu summen. Und wenn er auch bei seiner eigenwilligen Interpretation ein paar der Töne leicht verfehlte, so trat ihm dabei dennoch eine kleine verstohlene Träne ins linke Auge ... die er allerdings als gestandener Mann sofort innerlich der Tatsache zuschob, daß sein Augapfel wohl bei dem - seiner Meinung nach - rasanten Fahrstil ein wenig Zug abbekommen haben könnte.

Aus dem Wärterhäuschen hinter dem Schlagbaum war inzwischen ein großer, stattlicher Mann in Polizeiuniform herausgetreten und hatte sich vor dem Inspektor und seinem Drahtesel aufgebaut. Die Mundwinkel des Wachmannes umspielte dabei der leichte Ansatz eines Grinsens, als er mit verbissenem Blick, tiefer Baßstimme und gespielt türkischem Akzent ausrief: "Ey Alder, Du kummst hier net rein!". Wieder mußte Svensson schmunzeln, dann erwiderte er: "Yusuf, laß den Scheißendreck! Läßt Du mich rein und guckst Du weita!". Yusuf tat, wie ihm geheißen, und öffnete den Schlagbaum, so daß der Inspektor auf seinem Fahrrad passieren konnte. Der drehte sich nach ein paar Metern noch einmal um, zwinkerte verschmitzt und rief seinem - sich inzwischen wieder ins Wärterhäuschen zurückbegebenden - Freund lautstark zu: "Schönen Gruß an Aisha und Euren Stammhalter! Wenn ich Sonntag Zeit habe, dann komm ich mal wieder zum Essen vorbei".

Ein paar Minuten später hatte Svensson bereits seinen fahrbaren Untersatz am Gitterstab eines der Kellerfenster jenes 20-stöckigen Gebäudes angekettet, das sich nun im Schein der aufgehenden Sonne so majestätisch vor ihm erhob. Wie an jedem Morgen in den vergangenen zehn Jahren stieß der Inspektor auch diesmal einen kleinen andächtigen Stoßseufzer aus, bevor er bedächtig die 36 Stufen zum Haupteingang hinaufschritt. Das Foyer war um diese Uhrzeit noch relativ menschenleer. Nur der Beamte am Empfang hauchte Svensson ein leises "Guten Morgen, Inspektor" entgegen, welches dieser in seiner gewohnt freundlichen Art erwiderte, wobei er es sich natürlich nicht nehmen ließ, in einem Nebensatz nachzufragen: "Und, George, eine ruhige Nacht gehabt? Hast Du gestern noch das Spiel gesehen? Arsenal hat sich trotz des 2:4 ganz tapfer geschlagen, oder?!". Und der so Befragte erwiderte nickend: "Auf alle drei Fragen ein klares Ja!". Svensson, der inzwischen den Fahrstuhl betreten hatte, erhob noch einmal rasch die Hand zum Gruß - dann schloß sich die Tür und zu den wachmachenden Tönen von Gloria Gaynor's "I Will Survive" ließ sich der Inspektor stimmungsvoll "liften" - in den 12. Stock, wo sich sein Büro befand, direkt unter jenem seiner Kollegen Wannabe und Crawler.

Die Leuchtschrift im Fahrstuhl zeigte eine rote Zwölf, dann öffnete sich mit zarten Glockenton die Aufzugstür, und Svensson trat auf den roten Teppich des Flurs. Von hieraus waren es nun nur noch ein paar Schritte bis zu seiner Bürotür mit der Nummer 1214. Die Fahrstuhltür schloß sich hinter ihm wieder, wodurch nun auch Frau Gaynor verstummte und den monotonen Geräuschen jenes Staubsaugers wich, mit dem eine junge anmutige Reinigungskraft in ihrem hellblauen Arbeitskittel gerade den Flur vom Staub der vergangenen Nacht befreite. Svensson schlängelte sich vorsichtig an ihrem gefräßigen, lärmenden Blechmonster vorbei. Und als die junge Dame für einen Moment aufschaute, rief er ihr ein freundliches "Einen wunderschönen, streßfreien Guten Morgen, Yelena" entgegen, welches sie in gebrochenem Englisch erwiderte: "Ihnen auch ein Gutes Morgen, Sir Svens Sohn! Und nicht zuviel arbeiten, wenn geht! Sie wissen, Arbeit machen viel Falten. Das nicht gut für schönes Mann wie Sie! Und Karriere nicht alles im Leben!". Lächelnd winkte der Inspektor ab: "Keine Sorge, Yelena! Die Karriere machen hier eh andere. Ich bin hier, um mich um Kriminalfälle zu kümmern und um die menschlichen Schicksale, die damit verbunden sind. Mein Anliegen ist es, für Gerechtigkeit zu sorgen, die Täter in den Knast zu bringen und den Opfern beizustehen". Yelena nickte eifrig mit dem Kopf: "Das sein gutes Aufgabe! Und Sie sein gutes Mensch!". Svensson errötete ein wenig, dann sagte er: "Tja, nur leider gehöre ich mit dieser Lebensphilosophie in diesen altehrwürdigen Hallen einer langsam aussterbenden Art an. Unsere Zeit gehört den Machtmenschen, die ihre Ellenbogen ausfahren und mit dem starken Arm des Gesetzes das Recht beugen und brechen, nur um damit auf der Karriereleiter eine Sprosse nach oben zu klettern - ohne jeden Anflug von Skrupel". Bedeutungsvoll wies Svensson mit erhobenem Zeigefinger zur Decke: "Und der da oben schaut allzuoft tatenlos zu!". Yelenas Gesicht verdunkelte sich plötzlich, auch sie erhob nun ihre Hand, allerdings nur, um sich damit eilends vor ihrer Brust zu bekreuzigen: "Sie doch nicht etwa Gott meinen?!". Svensson mußte lächeln: "Nein, um Himmels Willen! Ich meine damit Freakadelly, meinen Chef. Der Glaube an Gott und sein allzeit gerechtes Handeln ist an vielen Tagen das Einzige, was mir meine Hoffnung und meine Lebensfreude zu bewahren vermag, wie traurig und ungerecht mir auch alles erscheint - Nein, teuerste Yelena! Gott kann man nicht die Schuld für das Unrecht auf der Welt geben, diese Schuld tragen wir Menschen ganz allein. Für das, was wir aus dem uns von unserem Schöpfer anvertrauten, so kostbaren Gut unseres Lebens machen, dafür ist ein jeder von uns selbst verantwortlich! Machen Sie das Beste daraus, so wie ich es auch versuche - jeden Tag aufs Neue!". Mit diesen Worten verabschiedete sich der Inspektor mit einem liebevoll angedeuteten Handkuß von der Reinigungskraft und schritt gemächlich weiter den Flur entlang, bis er schließlich an seinem Büro ankam. Er zog sein Schlüsselbund aus dem Mantel und öffnete damit die Tür. Svensson trat ein und schloß die Tür hinter sich wieder. Dann atmete er einmal tief durch und lauschte gespannt. Ah, das monotone Rauschen des Staubfressers auf dem Flur war nicht mehr zu hören.

Gott sei Dank! Stille, endlich Stille! Svensson pellte sich aus seinem Mantel, den er dann behutsam auf den bereitstehenden Garderobenständer hing und anschließend noch einmal glattstrich. Schließlich ließ er sich hinter seinem Schreibtisch vorsichtig in seinen Bürostuhl gleiten, holte aus der Schreibtischschublade seine Lesebrille hervor und setzte sie sich auf seine Nase. Er nahm sein Telefon zur Hand und wählte die Nummer des Kellerarchivs. Einige Sekunden vergingen, dann meldete sich am anderen Ende der Leitung eine grelle Frauenstimme: "Moin, Moin! O'Brien am Apparat! Sie wünschen bitte!". Svensson paßte rasch den Abstand zwischen dem Hörer und seinem Ohr der Stimmgewalt seiner Gesprächspartnerin an, dann erwiderte er: "Hi, Carla! Ich bin's, Inspektor Svensson aus 1214. Könnten Sie mir da mal ein paar Vorgänge raussuchen ... Zum einen alles, was wir über eine gewisse Cathrin Napolitani und ihren Mann Steven Napolitani haben. Und dann bitte auch, was es über eine Kunststudentin aus Manchester namens Jane ... Moment, wo hab ich denn noch gleich den Zettel mit dem Nachnamen der jungen Frau? ... Gestern hatte ich ihn doch noch! ... Vielleicht im Mantel?! ... Moment ...". Svensson ließ den Hörer sinken und begab sich an den Garderobenständer zu seinem Mantel, wo er eifrig alle Taschen durchkramte, während vom Telefonhörer ein leises Kreischen zu vernehmen war: "Lukas. Lukas?! Was machen Sie eigentlich schon wieder so früh im Büro? Haben Sie kein Zuhause? ... Sie immer mit ihren tausend Zettelchen und ihrem Notizblock! Und nie finden Sie etwas, wenn Sie es suchen! ... Sind Sie noch dran? Hallo! Halllooo?!". Der Inspektor hatte inzwischen fürs erste die Suche nach der verschwundenen Notiz aufgegeben. Er begab sich zurück in seinen Stuhl, und nahm dann in aller Ruhe Hörer und Gespräch wieder auf: "Hallo, Carla?! Ich lasse Ihnen den Namen der anderen jungen Frau später zukommen. Ich kann ihn grad nicht finden! Aber es wäre wirklich nett von Ihnen, wenn Sie mir die anderen Akten schon mal hochkommen lassen könnten. Danke, und einen zauberhaften Tag noch! Ende!" Damit legte Svensson auf.

Auch wenn ihre gewöhnungsbedürftige Stimme einen stets aufs Neue erbeben ließ, auf Carla war Verlaß. Eine Viertelstunde später brachte ein Praktikant aus dem Archiv auf einem kleinen Wägelchen stapelweise Akten in Svenssons Büro und knallte sie ihm auf den Schreibtisch. Dann bat er den Inspektor noch um eine Unterschrift, und schon war er wieder verschwunden. 'Meine Güte', dachte Svensson bei sich, 'das ist ja eine Menge Lesestoff'. Doch es half nichts, er arbeitete sich bis zur Mittagspause im Schnellverfahren durch die Aktenberge. Dabei entdeckte er zufällig bei einem Griff in die Brusttasche seines Oberhemds dann auch den verschollenen Notizzettel mit dem vollständigen Namen der Kunststudentin Jane wieder, deren Akten er daraufhin ebenfalls noch bei Carla O'Brien im Archiv anforderte.

Mittags schaute dann unverhoffterweise auch Sergeant Crawler in Svenssons Büro vorbei. Eigentlich verirrten sich Wannabe und sein Schoßhündchen eher selten in jenes untere Gefilde - und wenn doch, dann bedeutete das meist nichts Gutes. Crawler war jedenfalls ganz aufgeregt und hechelte dem Inspektor förmlich entgegen: "Sir Wannabe und meine Wenigkeit speisen heute im Restaurant Fika in der Brick Lane zu Mittag. Die haben eine hervorragende schwedische Küche dort. Und wir dachten, wir nehmen Sie zur Feier des Tages einfach mal dahin mit, wo ihre Vorfahren doch aus Schweden stammen?!". Svensson sah kurz von seinem Platz hinter dem Schreibtisch auf, runzelte die Stirn und schaute Crawler ein wenig mitleidig an: "Also erstens hab ich wohl schon hundertmal gesagt, daß meine Eltern und ich aus Deutschland stammen und nicht aus Schweden. Ihr über allen Dingen stehender direkter Vorgesetzter nennt mich ja nicht umsonst immer ein wenig spöttisch hinter vorgehaltener Hand 'V1' oder auch 'Hitlers etwas verspätete Wunderwaffe, die das Königreich' - und ich zitiere Mister Wannabe frei aus dem Gedächtnis heraus - 'erst einschläfern und dann durch die Übertragung seiner ansteckenden Zerstreutheit und Verwirrtheit völlig zerrütten soll'. Also, was soll der ganze Blödsinn mit der Einladung und was heißt hier überhaupt 'Feier des Tages'? Ist Wannabe vielleicht plötzlich und unerwartet suspendiert worden, oder was hätte ich da mit Euch Beiden wohl zu feiern?". Crawler grinste schmierig: "Netter kleiner Joke, Svensson! Aber nein, im Gegenteil! Sir Wannabe steht direkt vor seiner Traumhochzeit mit der bezaubernden Tochter unseres einzigartigen Chefinspektors und gleichzeitig auch noch vor der - wenn Sie mich fragen - lange fälligen Beförderung zum Chefinspektor. Und damit wird er dann endgültig nicht nur mein, sondern vor allem auch Ihr Chef! Angesichts dieser Tatsache wäre wohl ein kleinwenig mehr Respekt von Ihrer Seite angebracht, oder?!". Svensson mußte sich innerlich immer mehr zügeln, damit ihm nicht der Kragen platzte angesichts von so viel hochmütiger Überheblichkeit. Doch nach außen blieb er ruhig und gelassen und meinte nur: "Wissen Sie, Crawler, wenn Sie Respekt sagen, dann meinen Sie doch sowas wie 'in den Hintern kriechen', oder?! Nun, ich glaube, dafür bin ich dann doch etwas zu alt und ungelenkig. Und außerdem ist in jener besagten Körperöffnung von Mister Wannabe dank Ihres geradezu übereifrigen Engagements eh nur noch recht wenig Platz". Crawler rang ein wenig um die richtigen Worte, aber dann entschloß er sich, die letzte Bemerkung Svenssons einfach großzügig zu übergehen: "Was jedenfalls das Angebot bezüglich des gemeinsamen Restaurantbesuchs betrifft: Einladen wollten wir Sie eigentlich eh nicht, gezahlt hätte da jeder für sich ... Sir Wannabe dachte halt nur, weil sie doch heute Ihr 10-jähriges Dienstjubiläum feiern ... und wer weiß, ob Sie nächstes Jahr um diese Zeit überhaupt noch unter uns weilen. Vielleicht verlassen Sie uns ja auch ganz plötzlich und übernehmen ein paar leichtere, Ihrem Alter und Ihrer Intelligenz angemessenere Aufgaben in einer etwas idyllisch gelegeneren Umgebung außerhalb der großen Städte mit all ihrer schädlichen Reizüberflutung ...".

Svensson hatte nun keinen Restaurantbesuch mehr nötig, denn er war schon jetzt mehr als bedient. Sein rechter Zeigefinger wies mehr als deutlich zur Tür, als er mit recht energischem Gesichtsausdruck meinte: "Raus! Und sagen Sie Ihrem Mister Wannadingsda, er kann mich mal ... und zwar heute nachmittag über die neusten Erkenntnisse im Fall Napolitani unterrichten. Das heißt, wenn es ihm seine ausgedehnten Restaurantbesuche auf Steuerkosten und seine Hochzeitsvorbereitungen während der Dienstzeit überhaupt noch zeitlich gestatten!". Damit versenkte Svensson seinen Kopf wieder in die vor ihm liegenden Akten und registierte zufrieden, wie sich seine Bürotür mit lautem Knall schloß. Die Zufriedenheit wurde allerdings noch einmal kurz getrübt, als Crawler einen Moment später den Kopf erneut einer Schlange ähnlich durch die Bürotür steckte, um gleich darauf loszuzischen: "Das Wichtigste hätte ich ja beinahe vergessen. Der Chefinspektor wünscht Sie nach Feierabend in seinem Büro zu sehen. Vielleicht gibt es ja schon heute an ihrem Ehrentag die Goldene Uhr zum Abschied?! Mein Chef und ich würden es Ihnen gönnen ...". Noch ehe Svensson etwas erwidern konnte, war Crawlers Kopf auch schon wieder verschwunden, und die Bürotür fiel erneut geräuschvoll ins Schloß.

Der Inspektor arbeitete sich noch eine Viertelstunde durch die inzwischen eingetroffene Akte Jane. Dann entschloß er sich doch zu einer kleinen Mittagspause. Am Haupteingang traf er zufällig auf Yelena, die gerade Feierabend machen wollte. In ihrem rotgepunkteten Sommerkleid und mit den offenen Haaren sah sie noch viel bezaubernder aus als sonst in ihrer himmelblauen Arbeitskluft. Und ihr unbeschwertes Lächeln strahlte dabei sogar noch heller, als es die heiße Mittagssonne vermochte. Svensson trat an sie heran und fragte: "Sagen Sie, teuerste Yelena, hätten Sie vielleicht Zeit und Lust, mit mir eine Kleinigkeit essen zu gehen? Ich habe heute nämlich mein 10-jähriges Dienstjubiläum und würde mich sehr freuen, wenn Sie mir dazu die Ehre gäben, mir Gesellschaft zu leisten". Yelena sah den Inspektor einen Moment lang etwas überrascht an, dann erwiderte sie: "Aber gern, Mister Svens Sohn. Das sein wahnsinnig nett von Sie. Wo wir gehen hin?". Svensson lächelte verschmitzt und tat gleichzeitig ein wenig mysteriös: "Lassen Sie sich überraschen!". Fünf Minuten später konnte man die Beiden sich ausgelassen unterhaltend und immer wieder lauthals lachend am Hot-Dog-Stand des nahegelegenen Parks beobachten. Und in einem Punkt war sich Svensson absolut sicher: So eine kurzweilige und unterhaltsame Mittagspause hätte er in Gesellschaft von Wannabe und Co nie und nimmer genießen können ...

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sven1421

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11

Donnerstag, 19. Januar 2012, 19:30

Episode 11: Endstation einer Unschuld

Die Mittagssonne stand hoch am Himmel, nur der Hauch eines Lüftchens sorgte bei all der sich ausbreitenden Hitze auch für ein wenig Abkühlung. Francesca lief in ihrem strahlendweißen Sommerkleidchen ganz ungezwungen neben ihrem Vater her. Mit ihren rosa Kniestrümpfen und den schwarzen offenen Halbschuhen an ihren Füßen sah sie fast aus wie eine kleine Disneyprinzessin. Dabei schienen ihre großen leuchtendblauen Augen alle Eindrücke in ihrer Umgebung mit geradezu kindlicher Naivität in sich aufsaugen zu wollen. Sie konnte einfach nicht genug bekommen von all den, im leichten Windzug langsam vor sich hin schwebenden Wolken, den herrlich bunten Blumen auf der Wiese, den in den Baumwipfeln zwitschernden Vögeln und dem ausgelassenen Lachen der Kinder auf einem nahegelegenen Spielplatz. Und zwischendurch schilderte sie ihrem Papa immer wieder mit einem unbeschwerten, fröhlichen Lächeln auf den Lippen, was sie wahrnahm und wie wunderbar dieser Tag doch sei. Überhaupt war sie ganz aufgeregt. Schließlich hatten sie Onkel Salvatore das letzte Mal gesehen, als sie 7 Jahre alt war - das war inzwischen schon wieder 9 Jahre her. Francesca erinnerte sich gern an die Besuche bei dem netten Herrn, der sie immer bei sich auf dem Schoß sitzen lassen und ihr dabei wundervolle Märchen aus 1001 Nacht erzählt hatte. Außerdem hatte sie, während der sympathische Onkel und ihr Papa im Haus wichtige geschäftliche Dinge beredeten, auf dem Hof mit all den Kindern der zahlreichen Dienerschaft herumtoben können. Und wenn sie sich dann nach etwa einer Stunde wieder von Onkel Salvatore verabschiedet hatten, durfte sie immer noch einmal tief in sein Bonbonglas greifen und sich eine Handvoll Drops für den Heimweg mitnehmen. Beim letzten Besuch hatte ihr Onkel Salvatore sogar eine wunderschöne Puppe geschenkt mit langen blonden Haaren, mit der sie noch einige Jahre gespielt hatte, und die noch heute einen Ehrenplatz auf dem Regal in ihrem Zimmer hatte.

Diese Puppe war es auch, der sie abends beim Schlafengehen immer all ihre geheimsten Gedanken anvertraute. In der letzten Zeit berichtete sie ihr vor allem von einem gewissen Marco, der in ihrer Schule zwei Klassenstufen über ihr war und in den sie ein ganz kleinwenig unsterblich verliebt war. In der Disco hatte er sie letzten Samstag sogar auf eine Cola eingeladen und sich dann fast eine Stunde lang mit ihr unterhalten. Er hatte mit ihr getanzt und sie gegen 21 Uhr sogar den ganzen Weg bis nach Hause begleitet. Nur als er sie beim Einbiegen in ihre Straße kurz vor der Ankunft an der elterlichen Wohnung um einen kleinen Abschiedskuß auf die Wange bat, hatte sie schüchtern den Kopf geschüttelt und gemeint, daß ihr das einfach zu schnell ginge und sie lieber noch etwas warten würde. Klar hatte sie Angst gehabt, ihr Marco könnte ihr das übelnehmen und nichts mehr von ihr wissen wollen. Aber der hatte ganz toll reagiert - er hatte ihr mit dem Handrücken behutsam über die Wange gestreichelt und ihr dann ins Ohr gehaucht: "Ist schon ok, wir haben doch alle Zeit der Welt!". Und sie? Sie hatte einfach nur glücklich gelächelt und ihm zum Abschied zugeflüstert: "Dankeschön! Du bist süß!".

Ihrem Papa hatte sie diese Geschichte freilich nicht erzählt. Der machte sich eh immer viel zu viele Sorgen, daß jemand von diesen pubertierenden Kerlen seinem kleinen Schatz zu früh das unschuldige Herz brechen könnte. Er wollte sie stets vor all dem Bösen dieser Welt bewahren, und dafür hatte sie ihn ja auch unheimlich lieb. Aber ihre Erfahrungen auf dem Weg vom Mädchen zur Frau mußte sie letztendlich nunmal doch ganz allein machen. Das gehörte einfach zum Leben dazu, wenn man später auf eigenen Füßen stehen wollte. Ob ihr Papa das wohl jemals einsehen würde?! Sie schaute zu ihm herüber. Irgendetwas schien ihn zu bedrücken. Der Kopf des sonst so lebenslustigen 42jährigen sah betrübt und starr auf den Gehweg, seine Schultern hingen schlapp an seinem gebeugten Oberkörper herunter. Was er wohl hatte? Vielleicht hing es mit den Geldsorgen zusammen, über die er sich neulich spätabends in der Küche leise mit Mama unterhalten hatte?! Francesca versuchte, ihn ein wenig aufzumuntern und ergriff dazu seine Hand. Dann hauchte sie ihm einen Kuß auf die sorgenfaltige Stirn, als könnte sie ihm damit die düsteren Gedanken einfach wegpusten. Ach ja, so war sie ... so herrlich erfrischend unschuldig.

In diesem Moment trafen Vater und Tochter vor dem Haupttor des gigantischen Anwesens ein, das Francesca in ihrer Kindheitserinnerung sogar noch riesiger vorgekommen war. Ihr Papa unterhielt sich kurz mit einem der beiden schwerbewaffneten Wachmänner, die mit ihren schicken Maßanzügen und den verspiegelten Sonnenbrillen vor dem Tor postiert waren. Dann sprach der Wächter in sein Funkgerät: "Seniore Spirelli, Alberto Scampi und seine Tochter Francesca sind am Haupttor und wünschen, Sie zu sprechen!". Im Funkgerät knackte es, dann meldete sich aus dem Lautsprecher eine tiefe, feste Männerstimme: "Si, si, schick die Beiden zu mir rein! Ich erwarte sie schon sehnsüchtig". Nur Sekunden später setzte sich das schwere, gußeiserne Rolltor in Bewegung, und Francesca und ihr Vater betraten das Grundstück. Der Weg zur Villa führte die Beiden durch eine Parkanlage mit viel Rasenfläche. Am Rande des breiten Sandweges, über den sie dabei liefen, standen rechts und links herrlich duftende Fliedersträucher. Francesca sog mit ihrer Nase den intensiven Geruch in sich ein. Dabei stubste sie ihren Vater von der Seite her an: "Herrlich, Papa, oder?!". Alberto Scampi erhob kurzzeitig sein Haupt, und für einen Moment umspielte sogar ein kleines Lächeln seine Mundwinkel: "Ja, mein Schatz! Wirklich herrlich!". Und das Mädchen strahlte über das ganze Gesicht, während sie ausrief: "Na siehst Du, Papa, Du kannst ja doch noch lachen. Jetzt wird das bestimmt noch ein ganz toller Tag, oder?!". Alberto konnte nur staunen über soviel bewundernswerte Naivität: "Ja, ich hoffe es, Kleines!".

Nach einigen Schritten waren sie an der Villa angelangt. Hinter einem lustig plätschernden Springbrunnen führte eine große Steintreppe zum vorderen Eingang des Haupthauses, vor dem zwei weitere Posten mit Maschinenpistolen Wache hielten. Einer von ihnen sprach auch hier in sein Funkgerät, und einen Augenblick später erschien ein Herr um die Sechzig in der Tür, breitete einladend seine Arme aus und lächelte den Eingetroffenen zu: "Alberto, mein Freund! Schön, daß Du endlich einmal den Weg zu mir gefunden hast. Und mein Patenkind hast Du auch gleich mitgebracht?! Bongiorno, Francesca! Tretet doch näher, Ihr Zwei!". Francesca rannte dem lieben Onkel freudig entgegen, während ihr Vater schweren Schrittes jede Stufe der langen Treppe einzeln nahm, so als wolle er das Wiedersehen mit seinem Geschäftsfreund Spirelli unbedingt noch ein wenig hinauszögern.

Salvatore Spirelli hatte Francesca inzwischen bereits in seine Arme geschlossen und preßte sie dabei ganz fest an sich heran. Dann umfaßte er mit seinen starken Händen ihre zierlichen Schultern und beugte seinen Oberkörper ein wenig zurück, um sie näher betrachten zu können: "Meine Güte, groß bist Du geworden, cara mia. Schon fast eine richtige Frau! Wie wäre es denn mit einem Begrüßungskuß für den Onkel Salvatore?". Francesca hauchte ihm - ohne lange zu zögern - im Überschwang der Wiedersehensfreude sogleich einen zarten Kuß auf die Wange, aber Spirelli schüttelte nur den Kopf: "Aber, aber, Bella Donna! Das ist doch keine Art, seinen allerliebsten Onkel zu küssen, den man solange nicht mehr gesehen hat, oder?!". Und ohne eine Antwort abzuwarten, zog er das überraschte Mädchen wieder fest an sich heran und drückte ihr seine trockenen Lippen auf den jungfräulichen roten Mund. Sein Atem, der stark nach Alkohol roch, drang in ihre Nase, während sich sein Mund leicht öffnete und seine feuchte, klebrige Zunge über ihre Lippen leckte. Francesca ekelte sich ganz plötzlich vor dem alten Mann und entzog sich seinem Griff. Spirelli sah sie an und lachte laut auf: "Ah, das Fräulein ist noch ein wenig schüchtern, wie? Naja, ist ja auch richtig so. In Deinem Alter sollte man sich für den richtigen Moment aufsparen, Francesca! ... Stimmt doch, Alberto, oder?!". Vater Scampi, der inzwischen auf der obersten Stufe angekommen war, nickte kurz und streckte dem alten Geschäftsfreund dann ein wenig abwartend seine Hand entgegen. Spirelli ergriff sie und klopfte Scampi mit der anderen auf die Schulter: "Warum so förmlich, alter Freund? Kommt nur herein! Ich bin gerade beim Mittagessen. Wollt Ihr mir dabei nicht ein wenig Gesellschaft leisten? Es gibt zartes, junges Hühnchen. Wißt Ihr, ich liebe junges, knuspriges Fleisch!". Ein Grinsen kehrte in Spirellis Gesicht ein und verlieh ihm damit in Francescas Augen etwas Beängstigendes. Und obwohl sie - da sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte - irgendwie schon ziemlich hungrig war, schüttelte sie nur eingeschüchtert den Kopf. Auch ihr Vater lehnte die Einladung dankend ab: "Vielen Dank, Salvatore, aber wir haben schon gegessen!".

Eine Minute später standen Francesca und ihr Vater vor der überreich gedeckten Tafel im Eßzimmer der Villa, während Spirelli an der Stirnseite saß und mit vor Fett triefenden Fingern schmatzend ständig größere Stücke zarten Hühnerfleisches in seinen Mund stopfte. Zwischendurch wischte er seine schmierigen Hände immer wieder an der bereitliegenden Serviette ab, trank einen großen Schluck Rotwein und grinste seine beiden Gäste an. Dabei war es Francesca keineswegs entgangen, daß sie der "liebe Onkel" von oben bis unten mit dem gleichen hungrigen Blick seiner weit aufgerissenen, giftgrünen Augen musterte, wie er es einen Moment zuvor noch mit dem Hühnchen auf seinem Teller getan hatte. Nach etwa einer Viertelstunde hatte er endlich sein ausschweifendes Mahl beendet und bot nun Vater Scampi den gegenüberliegenden Platz an seiner langen Tafel an. Francesca wollte sich gerade neben ihren Vater setzen, als Spirelli erneut grinsend den Kopf schüttelte und meinte: "Francesca, Kleines! Du sitzt natürlich wie früher auf Deinem Lieblingsplatz - bei Onkel Salvatore auf dem Schoß!" Voller Unbehagen ging sie auf den alten Mann zu und ließ sich langsam auf seinen Knien nieder. Sie zitterte dabei am ganzen Körper, während sie seinen feuchten, warmen Atem in ihrem Nacken spürte. Spirellis Knie begannen leicht zu wippen, so als ob er wie früher mit ihr "Hoppe hoppe Reiter" spielen wollte. Gleichzeitig aber wandte er sich an ihren Vater: "So, nun zum Geschäftlichen, mein Lieber! Zu meinem Bedauern mußte ich vernehmen, daß Du ein wenig mit Deinen Raten bei mir hinterherhinkst, Alberto. Das ist nicht gut, gar nicht gut! Du weißt ja, ich brauche das Geld! Ich hab doch selber viele Ausgaben, und da kann ich mir längerfristig einfach keine Außenstände leisten! Aber wir finden da sicher eine Lösung, zwei alte Bekannte wie wir?!". Scampi sah sein Gegenüber mit fragendem Blick an: "Salvatore, ich kann Dir die 12000 Pfund momentan leider nicht zurückgeben. Weißt Du, ich hatte in letzter Zeit ein wenig Pech. Die Miete ist mal wieder gestiegen, und ich hab meinen Job verloren. Und dann noch die Herzoperation meiner Frau Rosa im vergangenen Jahr. Die hat auch viel Geld gekostet. Ich könnte Dir aber erstmal 800 Pfund besorgen, und vielleicht kannst Du mir ja den Rest stunden?!". Spirelli nickte mitleidig: "Ja, das ist alles schlimm, das verstehe ich! Aber mit Deinen 800 Pfund kommen wir nicht weiter. Das ist keine Lösung für unser Problem, weißt Du?! Ich denke, wir sollten mal in aller Ruhe unter vier Augen darüber weiterreden ... Francesca, wenn Du uns einen Augenblick entschuldigen würdest?!".

Francesca sprang mit einem Satz vom Schoß Spirellis auf. Sie hoffte, nun endlich dieser, für sie unheimlich unangenehmen Situation zu entkommen: "Au ja, fein! Kann ich nach draußen in den Park, Onkel Salvatore?". Doch Spirelli schüttelte wieder den Kopf: "Geh doch lieber einen Moment nach nebenan in den kleinen Salon. Meine Zofe Claudine zeigt Dir den Weg". Der Hausherr rief eine junge schwarzhaarige Frau zu sich heran, die mit gesenktem Haupt und dem Munde ihres Herrn zugeneigtem Ohr dessen zugeflüsterte Anweisungen entgegennahm. Dann führte sie Francesca durch eine Schiebetür in einen kleinen, verstaubten Nebenraum, in dessen Mitte als einziges Inventar ein breites Metallbett stand. Die Zofe wies mit ihrem Zeigefinger auf die einsame, schmutzige Lagerstatt und meinte: "Seniore Spirelli bittet Euch, es Euch dort schon ein wenig bequem zu machen und Euch ein wenig auszuruhen, während die Herren ihre Unterhaltung pflegen. Der Leibwächter von Seniore wird inzwischen an der Tür darauf achten, daß Ihr Euch hier ungestört ausruhen könnt". Damit betrat ein muskelbepackter Herr mit Anzug und Sonnenbrille den Raum, postierte sich unmittelbar vor der Schiebetür und grinste Francesca an. Das Mädchen senkte den Blick und ließ sich in ihrem weißen Kleid ratlos auf der Matraze des laut knarrenden Bettes nieder.

Im Eßzimmer war Spirelli inzwischen auf den Punkt gekommen: "Hör zu, Alberto, mein Freund! Ich sehe das so: Mit Deinen armseligen Einkünften allein wirst Du Deine riesigen Schulden bei mir nie zurückzahlen können. Also müssen wir ein anderes Zahlungsmittel finden. Vermögenswerte hast Du keine! Aber vielleicht hast Du ja etwas anderes zu bieten, was für mich von Interesse sein könnte. Siehst Du, und das bringt uns direkt zu Francesca, Deiner Tochter! Schließlich hab ich Dich ja nicht umsonst gebeten, sie bei unserem kleinen freundschaftlichen Treffen mitzubringen. Ihre Anwesenheit hat mir schon früher stets die Nachmittage zu versüßen vermocht. Warum sollte man aus so einer Perle wie ihr keinen Gewinn schlagen? Ich habe da in Übersee extrem betuchte Leute, die für eine so unschuldige Schönheit ein Vermögen hinblättern würden. Und auch hier gibt es ein paar Geschäftspartner von mir, die sich - genau wie ich - nach anstrengenden abendlichen Geschäftsverhandlungen nach der bezaubernden Gesellschaft einer blutjungen Gespielin sehnen, mit der sie den Abend erfolgreich und ein wenig ausgelassen ausklingen lassen können. Also, um nicht lang um den heißen Brei rumzureden: Ich werde Deine kleine Francesca jetzt nebenan zur Frau machen. Und mal sehen: Wenn sie sich recht geschickt anstellt, dann erlaß ich Dir schon für dieses Mal Deine kompletten Schulden, mein Bester! Ansonsten vereinbaren wir im Anschluß eben eine Ratenzahlung über weitere Besuche. Und wenn ich sie dann wie gesagt noch weitervermitteln oder gar verkaufen kann, dann springen für Dich und Deine Frau locker weitere 20000 Pfund raus, denke ich mal! Na, wie bin ich zu Dir?! Und falls Du Dir Sorgen machst, weil sie ja Dein einziges Kind ist?! Du und Deine Rosa, Ihr seid doch noch jung. Sicher könnt Ihr immer noch ein Kind haben. Naja, und für den Fall, daß es bei Dir nicht so klappt mit dem Zeugen: Ich oder mein Leibwächter Giovanni helfen da sicher gern aus, schick doch Deine Rosa einfach mal vorbei!". Die Augen von Vater Alberto blitzten wutentbrannt auf. Die Hände, die Scampi während Spirellis schmutzigen Ausführungen sicherheitshalber in die Hosentaschen verbannt hatte, ballten sich dort langsam zu Fäusten und drängten aus ihrer stofflichen Umklammerung in das Gesicht des skrupellosen Mistkerls. Doch der handelte vorausahnend und zog blitzschnell einen Revolver aus der Innentasche der Jacke seines Nadelstreifenanzugs hervor: "Nicht, daß Du auf dumme Gedenken kommst, mein Lieber! Eine Bewegung, und Deine süße Francesca ist auf einen Schlag Halbwaise. So, und nun geh ich mal rasch zu ihr. Sonst kommt unser Engel sich noch ganz vernachlässigt vor". Damit begab er sich - den Revolver im Anschlag - auf die Schiebetür zu und öffnete sie. Dann übergab er seinem Bodyguard Giovanni die Waffe und beorderte ihn zu Vater Scampi, um ihn in Schach zu halten, während er sich mit dem Mädchen "beschäftigte". Spirelli schloß die Schiebetür hinter sich und ging breitgrinsend zum Bett mit der ängstlich zitternden Francesca.

Vater Scampi spürte den eiskalten Lauf der Waffe an seiner Schläfe. Er hörte vom Nebenraum unendlich viele Geräusche: Das Schluchzen und Weinen seiner Tochter, das teuflische Lachen und Stöhnen Spirellis, immer wieder einzelne Schläge und Schreie und das eintönige, furchtbare Knarren des Metallbettes. Wie in Trance durchlebte der Vater das Geschehen. Am Ende konnte er nicht einmal sagen, wie lang das Ganze gedauert hatte ... eine halbe Stunde, vielleicht auch zwei Stunden?! Alles, an was sich Scampi später erinnern konnte, war: Irgendwann öffnete Spirelli breit über das ganze Gesicht grinsend die Schiebetür wieder, während er gleichzeitig geradezu provokatorisch den Reißverschluß seines Hosenstalls schloß. Er sog mit den Lippen an seinem Arm, an dem er einige blutige Kratzer davongetragen hatte: "Eine richtige Wildkatze, unsere kleine Bella Donna. Sei stotz auf sie, sie hat sich ganz tapfer geschlagen und Onkel Salvatore eine recht angenehme Zeit bereitet. Nun ist sie eine kleine Frau, Dein unschuldiges Mädchen! Ich denke mal, für die komplette Schuldsumme war das Ganze noch nicht ausgereift genug, aber die Hälfte hat sie auf jeden Fall damit schon mal abgegolten. Vielleicht bringst Du sie mir ja am kommenden Sonntagabend nochmal vorbei. Da geb ich einen kleinen Empfang. Dann kann ich das süße Ding auch gleich mal meinen Geschäftspartnern und ein paar eventuellen späteren Kaufinteressenten vorstellen, weißt Du? Und wenn die Gäste weg sind, dann vergnüg ich mich zur kompletten Schuldentilgung einfach noch einmal mit ihr!". Damit gab er für Scampi den Blick auf das Bett frei, auf dem Francesca - verängstigt und am ganzen Körper mit roten und blauen Flecken übersät - nur in Slip und Hemdchen hockte, während sie mit zitternden Händen nach ihrem ehemals so unschuldig weißen Kleidchen griff, das nun zerrissen und beschmutzt in einer der staubigen Ecken des schmalen Zimmers lag. Und so wie dieses Kleid sah es auch in ihrer kleinen armen Seele aus: Die Reinheit und Unschuld waren für immer dahin, stattdessen fühlte sie sich äußerlich beschmutzt und befleckt und innerlich zerrissen.

Spirelli gab seinem Bodyguard ein kurzes Handzeichen, dann zogen sich beide ohne ein weiteres Wort ins Wohnzimmer der Villa zurück. Die Zofe Claudine erschien wieder und begutachtete das Laken auf der Matratze, auf dem ein großer Blutfleck deutlich sichtbar das Ende von Francescas Unberührtheit verkündete. Vater und Tochter saßen sich noch eine Weile völlig regungslos gegenüber, dann stand Francesca von dem Bett auf, warf sich jenen Fetzen, der einmal ihr strahlendweißes Sommerkleid gewesen war, über den schmerzenden, geschändeten Leib und schlich schwerfälligen Fußes aus dem Nebenraum durch die Schiebetür ins Eßzimmer. Dort ging sie an ihrem immer noch erstarrt dasitzenden Vater vorbei und lief hinaus über die Treppe in den Park. Hier blieb sie am Springbrunnen stehen und wusch sich lange und ausgiebig die Tränen aus ihrem verweintes Gesicht. Irgendwann spürte sie die Hände ihres Vaters auf den Schultern, die ihr schützend seine Anzugjacke überstreiften. Dabei hauchte er ihr ein tränenersticktes "Verzeih mir, Francesca! Bitte verzeih mir doch!" ins Ohr. Sie drehte sich zu ihm um und schaute ihm sekundenlang in sein bleiches Gesicht, dann schüttelte sie den Kopf: "Tut mir leid, Papa! Aber das kann ich nicht! Noch nicht! Vielleicht auch nie mehr!".

Damit drehte sie sich von ihm weg und begann, immer schneller werdenden Schrittes - ohne auch nur ein einziges Mal nach rechts und links zu schauen - den Sandweg zum Haupttor entlangzulaufen. Scampi versuchte noch eine Zeitlang, seiner Tochter zu folgen, aber irgendwann gab er diese Absicht deprimiert auf. Er hatte sie aus den Augen verloren ... verloren ... und das nicht nur für den Moment. Nein, an diesem schrecklichen Nachmittag hatte er seine Tochter vermutlich für immer verloren! Ja - und auch, wenn sie ihm das Geschehene jemals vergeben könnte, er selbst würde es sich wohl nie verzeihen können ...

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12

Donnerstag, 19. Januar 2012, 19:31

Episode 12: Pendelverkehr

Unter dem Einfluß der wärmenden Sonnenstrahlen begann das Eis langsam zu schmelzen und bahnte sich fast unmerklich den Weg von seiner knusprigen Waffelhülle hinunter auf Svenssons rechte Hand, von wo es dann in regelmäßigem Abstand in kleinen zähflüssigen Perlen zu Boden tropfte. Yelena, die sich auf ihrem gemeinsamen Rückweg durch den Park längst bei dem Inspektor untergehakt hatte, entging die Tatsache jenes langsamen Flüssigkeitsverlustes bei ihrem Begleiter allerdings nicht - und so flüsterte sie ihm schließlich leise ins ihr zugewandte Ohr: "Svens Sohn Lukas, mein Lieber, Du tropfen da etwas. Ich vielleicht einmal kurz bei Dich lecken sollen?!". Svensson mußte schmunzeln. Nein, nicht darüber, daß Yelenas Grammatik ein wenig ungewöhnlich war, denn das fand er irgendwie inzwischen schon richtig süß an ihr. Er war sich vielmehr der schlüpfrigen Zweideutigkeit bewußt geworden, die in ihrem letzten Satz verborgen war - und solche kleinen Zweideutigkeiten mochte er nunmal unheimlich gern. Und so streckte er seiner charmanten Begleiterin ohne zu zögern die rechte Hand mit der - in Auflösung begriffenen - Eiswaffel entgegen, an der sie nur Sekundenbruchteile später bereits mit flinker Zunge zu schlecken begann. Dabei befreite sie mit geschlossenen Augen auch gleich die betroffenen Stellen an Svenssons Zeige- und Mittelfinger von deren eisbreiigen Überläufern, wobei ihr ein genüßliches "Hmmh, fkusnui!" entfuhr. Svensson, dessen frühere Lebensgefährtin Nina - die Mutter seiner Tochter Lisa - selbst auch eine gebürtige Russin war, verstand die russische Sprache ganz gut und wußte, daß jenes "fkusnui" übersetzt nichts anderes bedeutete als "lecker". Und wenn er die Frau an seiner Seite so betrachte, wie sie in ihrem luftigen Sommerkleid - dessen Ausschnitt ihm übrigens in dieser Situation recht angenehme Einblicke zu gewähren vermochte - verschmitzt lächelnd mit leicht geschlossenen Augen zu ihm herübergebeugt ihre Zunge sachte an seiner Hand auf und abfahren ließ, dann geriet er fast schon in Versuchung, auch sie in ihrer ganzen Art als "fkusnui" zu bezeichnen. Als es ihm schließlich Minuten später endlich wieder für einen Moment gelang, seine Augen von Yelenas reizvollen Anblick zu lösen, bemerkte er, daß sie im Gehen den Stadtpark längst hinter sich gelassen hatten und wieder vor jenem großen 20-stöckigen Gebäude angelangt waren, welches ihrer beider Arbeitsstätte war. Yelena, die darüber genauso überrascht schien wie der Inspektor, bedankte sich bei Svensson noch rasch für das Essen und die wundervolle gemeinsame Zeit. Und der Insektor gab der Reinigungskraft außer Dienst zum Abschied einen zärtlichen Kuß auf den Handrücken. Dann trennten sich ihre Wege fürs erste. Svensson begab sich zurück in sein Büro, und Yelena machte sich mit der Londoner U-Bahn auf den Heimweg in ihre Einzimmerwohnung am Stadrand - wobei sich beide noch mehrfach nacheinander umsahen.

Bei seiner Rückkehr ins Büro stellte der Inspektor zu seinem Erstaunen fest, daß auf dem Schreibtisch an seinem, ihm stets so unheimlichen, elektronischen Organiser eine signalrote Leuchtdiode in regelmäßigen Abständen immer wieder wild aufflackerte. Svensson begab sich hinaus auf den Flur und bat eine der gerade vorbeikommenden Sekretärinnen mit zu sich ins Büro. Dann deutete er fragend auf das blinkende Etwas: "Liebes Fräulein Sabrina, können Sie bitte mal nachsehen, ob da irgendeine Nachricht für mich drauf ist?". Das herbeigerufene "Fräulein" war ein wenig überrascht - zum einen über die merkwürdige typisch deutsche Anrede und zum anderen über den eigentümlichen Wunsch des Inspektors. Dennoch zögerte sie nicht, dem stets charmanten Svensson zu helfen. Die im Umgang mit modernster Kommunikationstechnik hinreichend geschulte Frau drückte in Windeseile ein paar Tasten und streckte dem Inspektor den Organiser dann freudestrahlend wieder entgegen, auf dessen Display nun blau auf grau folgende Notiz aufleuchtete: "Svensson! Crawler hat mich informiert, daß Sie bezüglich der neusten Erkenntnisse im Mordfall Napolitani von mir gebrieft werden möchten. Ich bin mir allerdings sicher, diese Unterredung hat noch Zeit bis nach ihrem Termin mit dem Chefinspektor, wenn sich ein derartiges Gespräch nicht dadurch überhaupt ganz und gar erledigen sollte. - Inspektor Wannabe". Svensson bedankte sich vielmals bei Sabrina, die sich daraufhin lächelnd verabschiedete und das Büro wieder verließ. Der Insektor aber schüttelte den Kopf. Warum wußten schon wieder einmal alle noch vor ihm selbst von seinem Termin beim Chef, und was sollte diese dämliche Bemerkung von diesem eingebildeten Schnösel Wannabe: "... wenn sich ein derartiges Gespräch nicht dadurch überhaupt ganz und gar erledigen sollte".

Der Inspektor warf einen kurzen Blick auf die Uhr an der Wand seines Büros, deren kleiner Zeiger direkt auf die Eins zeigte, während der große Zeiger einmal mehr gerade die Zwölf erklommen hatte. Es waren also noch genau vier Stunden bis zum Feierabend und damit bis zu seinem Termin bei Freakadelly. Genug Zeit, um noch ein wenig mehr Licht in paar Unklarheiten bezüglich Jane, jener frischgebackenen Untermieterin im Hause der frischverwittweten Frau des ebenso frisch dahingemeuchelten Herrn Napolitani, zu bringen. Und so griff Svensson erst zu Janes Akte und dann zum Telefonhörer und ließ sich im Anschluß nacheinander mit mehreren Teilnehmern in Manchester verbinden. Er telefonierte mit den Professoren an der Kunsthochschule und auch noch mit verschiedenen Mitstudentinnen von Jane. Während der einzelnen Gespräche machte er sich immer wieder Notizen auf bereitliegenden Notizzetteln und in sein kleines schwarzes Notizbuch, das er stets in einer seiner Manteltaschen bei sich zu tragen pflegte. Als er den Telefonhörer schließlich endlich wieder auf die Telefongabel zurückgleiten ließ, zeigte die Wanduhr schon zwei Minuten vor fünf. Svensson schnellte von seinem Bürosessel hoch, griff sein Notizbuch und seinen Mantel vom Garderobenständer und verließ sein Büro, welches er noch rasch hinter sich abschloß. Dann begab er sich schnellen Schrittes zum Fahrstuhl und fuhr damit zwei Stockwerke höher zum Büro mit der Nummer 1421, wo er bereits von Chefinspektor Freakadelly erwartet wurde.

Der Chefinspektor wies auf einen der bereitstehenden Stühle. Svensson nahm Platz, und Freakadelly begann milde lächelnd mit seinen Ausführungen: "Mein sehr verehrter Inspektor Svensson! Wie lange kennen wir zwei uns jetzt schon? Auf den Tag ganze zehn Jahre, wie ich feststellen darf. Zu Ihrem Jubiläum übrigens meinen herzlichsten Glückwunsch! Zehn Jahre sind in unserem Beruf eine lange Zeit, nicht wahr?! Die gehen nicht spurlos an einem vorbei, oder?! Ich weiß, wovon ich rede! Ich werde in der nächsten Zeit auch ein wenig kürzer treten und meinen anstrengenden Posten wohl an meinen zukünftigen Schwiegersohn, ihren Kollegen Charles Wannabe, weiterreichen dürfen. Für mich selbst wird ja da auch noch der deutlich ruhigere Posten des Leitenden Chefs von Scotland Yard vakant, wenn unser allseits beliebter und verehrter bisheriger Vorgesetzter Eddi Wallace uns zum Jahresende in den verdienten Ruhestand verläßt, um sich ganz und gar seinem kleinen "Gasthaus an der Themse" zu widmen. Und Sie, mein Lieber, könnten in ihrem fortgeschrittenen Alter in meinen Augen auch etwas weniger Aufregung gebrauchen. Dieser Fall Napolitani, an dem sie zur Zeit so emsig arbeiten, wirbelt in der Öffentlichkeit soviel Staub auf, daß einem der Ärger damit leicht über den Kopf wachsen kann. Zumal sich, wenn ich mir die bisherigen Ermittlungsergebnisse mal so anschaue, da eine Mafiabeteiligung immer mehr abzuzeichnen scheint, nicht wahr?! ...". Hier hielt Svensson die Zeit für gekommen, aktiv in jene - bisher so einseitig geführte - Unterhaltung zwischen dem Chefinsektor und ihm einzugreifen: "Das kann ich leider nicht genau beurteilen, da bisher nur Inspektor Wannabe über den aktuellen Ermittlungsstand Kenntnis hat und ...". Nun fiel ihm im Gegenzug Freakadelly wieder ins Wort: "... und dabei sollten wir es ja vielleicht auch belassen, denke ich! Inspektor Wannabe macht seine Sache nach meiner Ansicht sehr gut, und zuviele Köche verderben nur den Brei! ...". Svensson erhob - wie früher in der Schule - den Zeigefinger und gleichzeitig auch Einspruch: "Nun, da bin ich anderer Meinung! Ich glaube, daß man immer in alle möglichen Richtungen ermitteln ...". Weiter kam er nicht, denn der Chefinspektor war kurzerhand von seinem Chefsessel aufgesprungen und hatte sich bedrohlich vor ihm aufgebaut, während er mit erregter Stimme feststellte: "Ich glaube, Sie haben mich nicht verstanden! Das war kein Rat von mir und auch keine Aufforderung zur fröhlichen Diskussion. Wenn Sie diskutieren wollen, dann gehen Sie doch gefälligst ins Internet in irgendein Forum, zum Beispiel in das 24TV FORUM von Frau Yvonne Alf ... Aber nein, ich vergaß ja, Sie haben ja keinen Draht zu so neumodischen Dingen wie der Datenautobahn ... Na, wie dem auch sei: Daß Sie sich von dem Fall Napolitani ab sofort komplett zurückziehen, war jedenfalls keine gutgemeinte Bitte, sondern ein dienstlicher Befehl, dem Sie Folge zu leisten haben! Ansonsten hat das disziplinarische Konsequenzen für Sie bis hin zur Abmahnung oder Suspendierung zur Folge! Ich hoffe, ich bin da verstanden worden, Inspektor?!". Nun erhob sich auch Svensson gemächlich von seinem Platz und erwiderte gelassen: "Laut genug dafür war es ja, Sir! Ich denke mal, damit wäre dann auch alles gesagt zwischen uns?! Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend im Kreise Ihrer in Kürze noch größer werdenden Polizeifamilie. Und noch ein gutgemeinter Rat von einem alten, etwas rückständigen Untertan: Passen Sie beim Verteilen der Hochzeitstorte gut auf, daß Ihnen Ihr Schwiegersohn da genauso ein großes Stück vom Kuchen zuschiebt, wie Sie es hier im Yard für ihn tun! Wo ist der Goldjunge eigentlich? Ach ja, der kümmert sich sicher schon den ganzen Nachmittag höchst dienstlich um die Sitzordnung der diversen Hochzeitsgäste, nicht wahr?! Oder ermittelt er in streng geheimer Mission etwa, wieviele Bierkästen für die arme Braut besorgt werden müssen, um sich den aufgeblasenen Bräutigam für die Hochzeitsnacht doch noch schön zu trinken?!". Freakadellys Gesicht lief mittlerweile puterrot an, und seine Nase begann vor Wut zu schnauben. Doch noch ehe er zu brüllen anfangen konnte, hatte sich Svensson schon mit einer flüchtigen Handbewegung verabschiedet und meinte im Gehen noch ganz ruhig und trocken: "Regen Sie sich doch nicht auf, Chef! Soviel Streß ist nämlich nicht gut für den Kreislauf, und schon gar nicht in unserem fortgeschrittenen Alter. Machen Sie es einfach wie ich! Wenn Ihnen jemand dumm kommt, dann lassen Sie ihn einfach links liegen und verabschieden sich in aller Ruhe und Freundlichkeit von ihm. In diesem Sinne wie gesagt: Einen schönen Abend! Und nochmals all mein Mitgefühl an die Frau Tochter!". Mit diesen Worten ließ Svensson die Bürotür des Chefinspektors hinter sich ins Schloß fallen, zog auf dem Flur im Gehen seinen Mantel über und begab sich dann kopfschüttelnd mittels Lift ins Kellergeschoß, wo sich neben dem Archiv und den Arrestzellen unter anderem auch die Personalabteilung des Yard befand.

Vor dem Büro mit der Aufschrift "P06 - Personalangelegenheiten externe Dienstleister" machte der Inspektor halt. Er klopfte zweimal an die Tür und trat dann ein. Hinter dem Schreibtisch stand ein junger Mann, der Svensson sogleich freudig händeschüttelnd begrüßte: "Herr Inspektor! Schön, Sie mal wiederzusehen!". Svensson nickte lächelnd: "Na, Timmy, zufrieden mit dem Job?". Timmy strahlte zurück: "Ja, Sir! Damit hätte ich nach Verbüßen meiner Jugendstrafe gar nicht gerechnet. Das verdanke ich alles nur Ihrer Fürsprache! Was kann ich für Sie tun?". Der Inspektor kratzte sich nachdenklich am Kopf: "Weißt Du, Timmy, in meinem Büro hat heute eine unserer Reinigungskräfte etwas liegenlassen, nämlich einen goldenen Armreif". Der junge Mann hinterm Schreibtisch streckte seine Hand aus: "Ach, geben Sie nur her, ich leite das Schmuckstück an die Chefin der Reinigungsfirma weiter". Svensson schüttelte stürmisch den Kopf: "Nein, nur keine Umstände! Ich geb es ihr gern selbst zurück. Ich hab heute abend eh noch nichts anderes vor, da fahr ich rasch mit dem Rad bei ihr vorbei. Wenn Du mir nur den Nachnamen und die Adresse ...". Timmy dachte kurz nach, dann sagte er: "Ok, eigentlich darf ich ja keine Personaldaten weitergeben. Aber weil Sie es sind ... Wie heißt die junge Dame denn?". Svensson tat so, als müsse er erst einmal ein wenig nachdenken, dann antwortete er: "Sie heißt Yelena, glaub ich!". Timmy nickte: "Ach ja, die freundliche Russin. Moment mal!". Er hämmerte ein wenig auf der Tastatur seines Computers herum, dann las er vom Monitor ab: "Yelena Zladkaja, 49, Mitarbeiterin der Reinigungsfirma CLEAN-EX, wohnhaft in London, Skid Row, Nummer 124, 4.Obergeschoß Rechts-Rechts". Svensson notierte die Adresse hastig in sein Notizbuch, das er anschließend wieder in der Manteltasche verschwinden ließ und verabschiedete sich dann mit einem breiten Grinsen über das ganze Gesicht von seinem hilfsbreiten Schützling.

Dann fuhr er mit dem Fahrstuhl hoch ins Erdgeschoß, wo er sich im Kiosk neben der Rezeption noch rasch eine gute Flasche Rotwein empfehlen ließ, die er ebenfalls in einer seiner Mateltaschen verstaute. Im Hof kettete er seinen Drahtesel los und fuhr dann winkend an Yusuf in seinem Wärterhäuschen vorbei, der ihn verdutzt dreinschauend noch mit "Ey Alder, was geht?" verabschiedete. Svensson ließ es mit dem Treten der Pedale wie immer ganz ruhig angehen, nicht daß ihm am Ende noch der mitgeführte Wein aus der Tasche rutschte. Nach knapp drei Stunden erreichte er schließlich fröhlich pfeifend seine Zieladresse. Er schloß sein Rad am Laternenmast vor dem Hauseingang der Skid Row 124 an und erklomm dann langsamen Schrittes das etwas schmutzige, zugige Treppenhaus des mehrstöckigen Wohnhauses. Im vierten Obergeschoß bog der Inspektor zielsicher zweimal nach rechts ein und klingelte dann einmal kurz an der Tür mit dem Namensschild "Y.Zladkaja". Von innen waren Schritte zu vernehmen, die langsam schlurfend näher kamen. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit, und vor ihm stand mit zusammengekniffenen Augen, leichtbekleidet und nur notdürftig mit einem rosa Morgenmantel umhüllt, die zauberhafte Yelena. So wie sie aussah, mit ihren zerzausten Haaren und den Kissenfalten, die ihre ganze linke Wange besiedelten, hatte sie schon geschlafen. Kein Wunder, war für die Ärmste in ihrem anstrengenden Beruf ja die Nacht auch schon um 3 Uhr bereits wieder zuende.

Der spätabendliche Besucher überraschte Yelena auf alle Fälle ein wenig: "Was machen Du denn hier, Svens Sohn Lukas?". Svensson ließ sich die leichte Nervosität, die die ungewöhnliche Situation trotz aller Bemühungen um innere Gelassenheit in ihm aufkeimen ließ, nicht anmerken: "Naja, Yelena! So genau weiß ich das selbst nicht. Ich hab mich nach unserem Spaziergang den ganzen Nachmittag über dabei ertappt, wie ich immer wieder an Dich gedacht habe. Und dann war da irgendwie ständig etwas in mir, das unbedingt zu Dir wollte: Dich sehen, mit Dir reden, mit Dir lachen oder auch einfach in Deiner Nähe sein. Und da hab ich dann - vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben - gar nicht erst lange nachgedacht, sondern mich auf mein altes Fahrrad geschwungen und bin losgeradelt. Ich fand einfach nur, ich schau mal bei Dir vorbei und revanchiere mich ein bißchen für das Gesellschaftleisten in der Mittagspause". Mit diesen Worten zog er die Weinflasche aus dem Mantel heraus und überreichte sie Yelena durch den Türspalt. Yelena nahm den edlen Tropfen dankend entgegen, begutachte erst die Flasche, dann den Inspektor vor ihrer Tür und sagte schließlich: "Also gut, Svens Sohn Lukas! Ich keinen Kaffee im Haus haben, ich auch keine Briefmarken sammeln, und ich und Du morgen wieder sehr früh raus müssen und viel schuften! Also nichts Zeit bei uns beide für lange reden! Und außerdem wir zwei beide nicht mehr im Teenageralter. Darum wir lieber lassen das hier sein und gehen besser schlafen in Bett, ok?!".

Svensson hatte verstanden. Ein wenig traurig machte er auf dem Hacken kehrt. So eine Abfuhr hatte er dann doch nicht erwartet - nicht nach der wundervollen Mittagspause, die sie heute Beide im Park miteinander verbracht hatten. Aber was solls, er konnte ja auch nicht erwarten, daß sie gleich auf Anhieb so unheimlich viel für ihn empfand wie er es für sie tat. Svensson setzte gerade zum Gehen an, als Yelena die Tür entriegelte und dann sperrangelweit aufstieß, um ihm aus voller Kehle nachzurufen: "Du haben mich falsch verstanden, ich glauben! Ich gesagt haben, wir lassen reden sein und gehen besser schlafen in Bett. Aber ich nicht gemeint haben, Du gehen in Dein Bett. Sondern wenn Du wollen, Du kommen mit in mein Bett?! Oder Du haben das Flasche Wein nur für Yelena allein mitgebracht?!". Svensson drehte sich schlagartig wieder zu ihr um. Hatte sie jetzt wirklich gemeint, was er verstanden zu haben glaubte. Das Zwinkern ihrer strahlenden Augen bestätigte seine Annahme zweifelsfrei. Er lief auf sie zu und fiel ihr dabei förmlich um den Hals, während ihre Arme ebenfalls sofort seine Hüfte umklammerten - als fürchtete sie, er würde gleich noch einmal weggehen. Ihre Lippen trafen sich, erst schüchtern, dann immer wilder und fordernder - bis schließlich auch die Zungen in ihren leicht geöffneten Mündern wild miteinander zu spielen begannen. Yelena zog Svensson zu sich in die Wohnung, deren Tür sie anschließend mit einem kurzen Fußtritt hinter sich ins Schloß fallen ließ.

Nur drei Minuten später fanden sich beide völlig nackt unter der warmen Daunenbettdecke auf Yelenas Schlafliege wieder. Dort konnten die Zwei nun auch nur zu genau spüren, wie Recht Yelena doch damit gehabt hatte, wenn sie kurz zuvor meinte, sie seien keine Teenager mehr. Nein, ihre reifen Körper hatte das Leben bereits kräftig gezeichnet. Und es war auch bei Beiden längst nicht nur die Stirn, die hier und dort mal ein wenig in Falten lag. Und dennoch kuschelte sich Yelena in diesem Moment ganz eng an die stark behaarte Brust des Inspektors und ließ sich dabei von seinen starken Armen gefangennehmen. Svensson hatte indes die Augen geschlossen. Er streichelte sanft über ihre Haut, erkundete so Zentimeter um Zentimeter und genoß dabei einfach das, was er auch in der gemeinsamen Mittagspause schon so sehr genossen hatte - sie zu berühren, sie zu spüren und ihr einfach nur ganz nah zu sein. Und während Svensson dann nach einer gefühlten Ewigkeit mit einem gezielten Wurf seines linken Halbschuhs gegen den Lichtschalter das Licht im Zimmer löschte, seufzte Yelena glücklich dahinschmelzend: "Oh, Lukas! Daß Du da sein, hier bei mir, mein lieber Guter, ich haben mir in Gedanken den ganzen Nachmittag und Abend schon so sehr gewünscht!" ...

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13

Donnerstag, 19. Januar 2012, 19:32

Episode 13: Unbeschrankte Übergänge

Der dumpfe, monotone Klang einer schweren, gußeisernen Glocke durchbrach jäh die Stille der abgeschiedenen Landschaft. Eine Handvoll weichen Sandes schlug auf eine naturbelassene, eichenhölzerne Oberfläche. Zwei weitere Handvoll folgten ihr daraufhin in regelmäßigem Abstand nach. Erde zu Erde, Asche zu Asche und Staub zu Staub. Das war also letztlich alles, was von einem blieb - so dachte Cathrin Napolitani, während sie den Sand aus ihren zitternden Händen auf den Eichensarg im Innern des zirka zweieinhalb Meter tiefen Erdloches fallen ließ. Und vor ihrem geistigen Auge tauchte in diesem Moment die Gestalt jenes Mannes auf, dem sie ihren derzeitigen Familiennamen verdankte und dessen Leichnam nun in jenem engen Holzbehältnis ruhte - die Hände ineinander gefaltet, dem im Moment seines Todes so schmerzverzerrten Gesicht auf künstlerische Weise noch einmal würdevoll friedliche Züge verliehen, den zerstochenen Körper vom angetrockneten Blut gereinigt und danach geradezu liebevoll restauriert sowie in einen seiner Maßanzüge eingebettet. Und ein anderes Bild erschien gleichzeitig in Cathrins Kopf - das Bild einer verjüngten Version jenes Mannes voller überschwenglicher Lebensfreude, seine Hand sanft in die ihre gelegt, mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht und in den gleichen schicken Maßanzug gehüllt. Und wieder hörte sie die Worte eines Geistlichen, der sie mit würdevoller Stimme fragte: "Und Du, Cathrin Conan Doyle, willst Du die Ehe eingehen mit dem hier anwesenden Steven Arturo Napolitani? Willst Du ihn lieben und ehren und ihm treu sein, im Guten wie im Bösen, bis daß der Tod Euch scheidet?".

Bis daß der Tod Euch scheidet?! Ja, das wollte sie! Und ja ... der Tod hatte sie geschieden. Er hatte sie für immer voneinander getrennt - in tot und lebendig, in Opfer und Täter. Cathrin weinte bitterlich. Zum einen weinte sie aus ehrlich empfundener Trauer um jenen Mann, dem sie einst voller glücklicher Zuversicht ihr Ja-Wort gegeben und den sie über viele Jahre so innig und ungeteilt geliebt hatte. Zum anderen flossen ihre Tränen aber auch, da sie sich hier - im Angesicht des Todes - erst vollkommen klar darüber wurde, was Jane und sie da eigentlich getan hatten. Sie hatten in grausamer Übereinkunft ein menschliches Leben unwiederbringlich ausgelöscht - für immer. Auch wenn die Polizei längst in eine ganz andere Richtung zu ermitteln schien - abgesehen vielleicht nur von diesem merkwürdigen Inspektor, der sie vor zwei Tagen aufgesucht hatte - und keine Menschenseele auch nur ahnen konnte, wer das Leben aus Steven Napolitani förmlich herausgestochen hatte ... Cathrin wußte es, und sie mußte damit leben - für immer. Schluchzend trat Cathrin drei Schritte vom Grab zurück und vergrub ihr Gesicht in ihre Hände.

Nun war es Jane, die an den Rand der Erdgrube herantrat und nacheinander drei Hände voll Sand auf den Sarg herabrieseln ließ. Auch sie hatte in diesem Moment Stevens Gesicht vor Augen, wie er bei schummriger Beleuchtung zu den leisen Klängen von "Only You" mit entblößtem Körper in ihrem kleinen Dachzimmer neben ihr lag und ihr wundervolle Liebesschwüre ins Ohr säuselte. Und sie vernahm wie von fern seine Stimme, die liebevoll hauchte: "Nur Du und ich - für immer!". Als sie dabei für einen Moment sehnsuchtsvoll die Augen schloß, glaubte sie sogar, seinen warmen Atem noch einmal an ihrem Ohrläppchen zu spüren. Doch dann riß sie blitzschnell ihre Augen wieder auf, denn die Szene in ihrem Kopf hatte jäh gewechselt. Aus ihrem schummrigen Zimmer war ein dunkles Eisenbahnabteil geworden, aus dem leisen "Only You" das laute Schnaufen und das schrille Pfeifen einer Lokomotive, und Steven lag nicht mehr neben ihr sondern ihr zu Füßen, wo er blutend, mit weit aufgerissenen Augen und starrem, leeren Blick krampfhaft versuchte, den letzten Hauch Leben festzuhalten, der gerade im Begriff war, seinen Körper zu verlassen - für immer. Und nun schossen auch Jane unvermittelt die Tränen in die Augen, während sie ihr Gesicht mit ihrer rechten Hand vor dem Blick der restlichen Anwesenden zu verdecken suchte.

Cathrin, die sich inzwischen schon wieder ein wenig beruhigt hatte, war von hinten vorsichtig an Jane herangetreten und hatte ihr sachte die linke Hand auf die Schulter gelegt. Diese wohltuende Berührung war für Jane wie ein stummes Zeichen gewesen. Sie nahm ihre Hand vom Gesicht, drehte sich zu Cathrin herum und lehnte nun ihr Haupt trostsuchend an die Schulter der Freundin. Und Cathrin legte kurzerhand den Arm um sie und zog sie schützend zu sich heran. So standen die Zwei eine ganze Weile, während die anderen Trauergäste am Grab dem Toten die letzte Ehre erwiesen. Irgendwann begann schließlich die anwesende kleine Kapelle andächtig "So nimm denn meine Hände" zu spielen, worauf sich die Trauergemeinde - angeführt von Cathrin und Jane, die sich aneinandergelehnt gegenseitig Halt gaben - in loser Marschordnung Richtung Friedhofstor in Bewegung setzte. Sie schritten dabei still und gesenkten Hauptes vorbei an den zahlreichen abendländischen Lebensbäumen, die am schmalen Friedhofsweg würdevoll Spalier standen, und an einem älteren, unscheinbaren Herrn im abgenutzten Trenchcoat, der der gesamten Beerdigungsfeier aus respektvollem Abstand aufmerksam beigewohnt hatte.

Auf dem dreißigminütigen Heimweg hatten Jane und Cathrin kein Wort miteinander gesprochen. Erst als Cathrin die Haustür aufschloß, öffneten sich damit scheinbar auch ihre schweigsamen Lippen: "Jane, Kleines! Das war alles so schrecklich. Ich mußte die ganze Zeit an ihn denken und an das, was wir ihm da angetan haben. Es ist, als ob einem von jetzt an zeitlebens ein zentnerschwerer Stein auf der Seele liegen würde, der einem die Luft abzudrücken droht. Wie um alles in der Welt kann man nur mit so einer Schuld weiterleben?". Jane nickte zunächst nur stumm. Erst als sie Cathrin im Flur aus dem Mantel half, erwiderte sie: "Ja, das ist eine grauenvolle Last, die wir da mit uns herumtragen. Jede Nacht sucht mich Steven im Traum heim. Immer wieder verkündet er mir, etwas von ihm würde stets in mir bleiben ... Mir ist die ganze Zeit so schlecht, ich fühle mich so schlapp und gleichzeitig so schrecklich aufgewühlt und unruhig. Vielleicht sollten wir uns ja doch ein für allemal von dieser bedrückenden Last befreien und zur Polizei gehen?! Ich frage mich schon die ganze Zeit, ob es uns dann nicht endlich wieder besser gehen würde. Versteh mich nicht falsch! Was Steven uns Beiden angetan hat, war zweifellos hinterhältig und gemein. Und was er uns dann noch grinsend vorschlug, das setzte dem Ganzen praktisch die Krone auf. Wir waren alle Zwei enttäuscht und wütend. Er hatte uns über Wochen hinweg beide belogen und betrogen, und dann wollte er aus uns am Ende gar noch seine gefügigen Betthäschen machen. Das war einfach zuviel! Vielleicht bekommen wir ja vor Gericht sogar mildernde Umstände zugesprochen, weil wir im Affekt ...". Weiter kam die immer mehr erblassende Jane in ihren Ausführungen nicht. Sie verdrehte nur noch kurz die Augen und sank dann ohne ein weiteres Wort förmlich in sich zusammen.

Cathrin hatte keine Sekunde gezögert, das zusammenbrechende Wesen in ihren Armen aufgefangen und so vorm fast schon sicheren Aufprall auf dem harten Laminat des Flurbodens bewahrt. Sie schleifte die bewußtlose Jane vorsichtig auf das Sofa im Wohnzimmer, wo sie mittels eines Kissens erst einmal Janes Füße hochlagerte und ihr behutsam die obersten Knöpfe der schwarzen Seidenbluse öffnete, um ihr damit Raum zum Atmen zu verschaffen. Ihre rechte Hand bewegte Cathrin dabei zwischen Janes und ihrem Gesicht schnell hin und her - wobei nicht ganz klar war, wem sie hier eigentlich mehr kühle Luft zuzufächeln versuchte: der bewußtlosen Jane oder aber sich selbst. Denn auch Cathrin war in diesem Augenblick irgendwie recht komisch zumute. Zum einen machte sie sich Sorgen um die scheinbar angeschlagene Gesundheit ihrer neuen Freundin, zum anderen aber ließ sie auch der sich eröffnende tiefe Einblick in Janes freigelegtes Decolte nicht völlig kalt. Cathrins Herz schlug wild, und noch ehe sie sich ihrer verwirrenden Gefühle recht bewußt werden konnte, begann Jane neben ihr langsam wieder zu sich zu kommen. Cathrin setzte sich vorsichtig zu der jungen Studentin auf das Sofa und bettete deren Kopf dabei ganz liebvoll auf ihren Schoß. Vorsichtig strich sie Jane übers Haar und die kaltschweißige Stirn: "Jane, mein Engel, was machst Du denn bloß für Sachen?! Ich hatte solche Angst um Dich! Irgendetwas stimmt nicht mit Dir, Kleines. Ich glaube, es ist Zeit, daß ich Dich mal zu meiner Hausärztin bringe und dort gründlich untersuchen lasse. Diese dauernde Übelkeit und dann dieser Schwächeanfall jetzt. Es muß doch einen Grund dafür geben. Ich rufe erst einmal rasch Frau Doktor Gaines an und mach für morgen früh einen Termin mit ihr aus, und dann koch ich Dir einen schönen heißen Kamillentee. Du aber bleibst ganz ruhig hier liegen, bis ich wieder bei Dir bin, ok?!". Jane lächelte, noch immer ein wenig erschöpft: "Ach Cathrin, Du bist so gut zu mir. Das hab ich gar nicht verdient ...". Cathrin legte ihr den Zeigefinger auf die blassen Lippen: "Psst! Schon in Ordnung, Liebes!". Und etwas nachdenklich fügte sie hinzu: "Und was die Sache mit der Polizei angeht, darüber reden wir noch einmal in aller Ruhe, wenn wir wissen, daß auch wirklich alles in Ordnung ist mit Dir, ja?!". Jane nickte noch einmal zustimmend, dann entschwand Cathrin fürs Erste aus ihrem Blick.

Später beim Abendessen hatte sich Jane schon wieder sichtlich erholt und legte zu Cathrins Freude einen geradezu gesegneten Appetit an den Tag. Und so ließen die beiden Frauen nach einem umfangreichen Mahl den aufregenden Tag ganz entspannt mit einem Glas Rotwein in der Hand vorm stürmisch knisternden, heimischen Kamin ausklingen. Das schummrige Flackerlicht, welches das Kaminfeuer ausstrahlte, verlieh den Gesichtern der Frauen einen zusätzlichen warmen Touch. Cathrin konnte sich an Jane gar nicht sattsehen. Dieses grazile Geschöpf mit der Anmut eines Filmstars und der Scheuheit eines Rehs löste in der erfahrenen Frau Gefühle aus, wie es nie zuvor je ein weibliches Wesen - mit Ausnahme von Cathrins innig geliebter Mutter vielleicht - vermocht hatte. Vorsichtig stellte sie ihr Glas beiseite und berührte sanft die Füße der jungen Frau. Jane wich der Berührung dabei keineswegs aus, sie schloß vielmehr ihre Augen und ließ den Kopf ein wenig in den Nacken fallen, um so alles nur noch intensiver spüren zu können. Cathrins Hand war inzwischen ein wenig höher geglitten und umspielte sanft die Außenseite von Janes Unterschenkeln, die von ihrer Strumpfhose zart umhüllt wurden. Irgendwann - nach einer gefühlten Ewigkeit - waren Cathrins wandernde Hände schließlich sogar an Janes Rocksaum angelangt, wo sie ein wenig innehielten und dann mit einem intensiven Streicheln der Oberschenkelinnenseiten fortfuhren. Janes Atem wurde unter den Liebkosungen, die Cathrin ihr entgegenbrachte, langsam etwas schwerer. Sie öffnete ihre Augen einen Spalt weit und beugte den Oberkörper deulich nach vorn, so nah an Cathrins Kopf heran - daß Janes Mund schließlich sogar deren Ohr streifte, während ihre Lippen leicht auseinandergingen, um den Zähnen ein behutsames Knabbern am Ohrläppchen der Freundin zu ermöglichen. Nun war es Cathrin, die die Augen schloß und den Kopf ein wenig nach hinten überstreckte. Jane begann gleichzeitig, ein wenig nervös mit ihren Fingern am obersten Knopf von Cathrins Bluse herumzunesteln. Dann hielt sie einen kurzen Moment inne und fragte: "Kate, Schatz, soll ich lieber aufhören? Ich will Dich schließlich nicht zu etwas verleiten, wozu Du vielleicht gar nicht bereit bist - jedenfalls noch nicht?!". Aber Cathrin lehnte sich nur noch weiter zurück, und ihr Körper entspannte sich dabei zusehends, während ihre bebenden Lippen leise aber dennoch ganz deutlich hervorstießen: "Oh Jane, nein! Um Himmelswillen, nein! Mach bitte weiter, nur nicht aufhören!". Und während das wildprasselnde Feuer im Kamin nun erst so richtig aufzuflammen begann und dadurch eine geradezu tropische Hitze im ganzen Raum verbreitete, vereinten sich in seinem flammenden Schein zwei sich nach Zärtlichkeit verzehrende Körper miteinander in einem langen, innig leidenschaftlichen Kuß ...

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sven1421

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Donnerstag, 19. Januar 2012, 19:32

Episode 14: Untergang im Abendrot

Dunkle Wolken zogen auf am Himmel über London. Es wurde auf einen Schlag kühler und dunkler über der englischen Metropole. Die Sonne hatte sich zum Schlafengehen in ihr blutrotes Abendkleid gehüllt und war gerade im Begriff, ihren vom ewigen Strahlen müden Körper am Horizont im Wasser der Themse abtauchen zu lassen. Mitten auf der Towerbridge war im Dämmerlicht die Silhouette einer jungen Frau zu erkennen, die sich über das Geländer hinweglehnte und dabei mit versteinertem Blick auf die klare, ruhige Wasseroberfläche herabsah. Tränen liefen über ihre Wangen und tropften von dort aus in die Tiefe. Es vergingen einige Sekunden, bevor sie auf dem Wasserspiegel auftrafen und dort kleine kreisförmige Wellen verursachten. In ihrer linken Hand hielt die junge Frau jenen zusammengepreßten Brief, den sie vor etwa einer Stunde von der Ärztin ausgehändigt bekommen hatte und auf dem schwarz auf weiß ihr Todesurteil stand ... "Laborbefund: HIV - Positiv".

Positiv? So ein Unsinn! Was um alles in der Welt sollte denn daran positiv sein, wenn man damit gleichzeitig sicher dem Tode geweiht war. Die Ärztin hatte ihr natürlich erklärt, daß sie mit dieser Diagnose und begleitenden Therapien vielleicht noch ein paar Jahre leben konnte, aber irgendwann wäre dann ihr Immunsystem eben so geschwächt, daß sie selbst die kleinste Erkältung ganz einfach umbringen würde. Nein, so wollte sie nicht enden - auf gar keinen Fall! Dann wollte sie schon lieber gleich und aus freien Stücken aus diesem Leben scheiden. Was hatte sie denn auch noch vom Leben? War es nicht schon jetzt ein einziger Alptraum durch jenen grauenvollen Moment, den sie immer wieder vor Augen hatte? Die junge Frau erklomm entschlossen das Geländer, streckte die Arme noch ein letztes Mal dem Himmel entgegen und ließ sich schließlich einfach fallen - kopfüber von der Brücke ins Wasser. Schwimmen konnte sie nicht, das hatte sie - wie so vieles in ihrem noch so jungen Leben - nie gelernt. Und so ging sie dann im eiskalten Naß der Themse auch sofort unter wie ein Stein. Nur ein paar kreisrunde Wellen und einige Luftbläschen an der Eintauchstelle zeugten noch einige Augenblicke von ihrem selbstgewählten Untergang. Dann kehrte wieder Stille ein auf der gesamten Wasseroberfläche ... Totenstille ...

[WIRD FORTGESETZT]

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